Rezension: ‚The Bones of Paris‘ von Laurie R. King

The bones of ParisTitel: ‚The Bones of Paris‘

(bisher nicht auf Deutsch erschienen)

Autorin: Laurie R. King

Sprache: Englisch

Format: Hörbuch

Sprecher: Jefferson Mays

Anbieter: Recorded Books

erschienen: 10. September 2013

Spieldauer: 13 Std 11 min

Das Hörbuch ist als Download bei audible.de erhältlich, und zwar HIER. Es kostet im Flexi-Abo €9,95 (regulär €25,95).

Beschreibung:

Paris, 1929. Der amerikanische Privatdetektiv Harris Stuyvesant wird damit beauftragt, das verschwunde Model Philippa Crosby zu suchen. Treibt sie sich, wie vermutet, nur mit einem der vielen Paris Künstler herum? Oder hängt ihr Verschwinden zusammen mit den anderen Vermisstenfällen, die der französische Kommissar Doucet untersucht?

Stuyvesant macht sich zunächst keine großen Sorgen. Das ändert sich jedoch, als er auf das Théatre du Grand-Guignol in Mormartre stößt, wo makabre und morbide Aufführungen das Publikum in Entsetzen und Faszination stürzen. Harris taucht ein in die sowohl glamouröse als auch schockierende Pariser Künstlerszene der Zeit und gerät auf die Spur eines Mörders.

Zum Hörbuch:

Romane, die mit Kunst zu tun haben, sind für mich immer ein Glücksfall. Selbst habe ich überhaupt kein Talent für Malerei, aber trotzdem liebe ich Kunstausstellungen und interessiere mich sehr für die Zeiten, Kulturen und persönlichen Lebensumstände, in denen berühmte Künstler ihre Werke erschaffen haben. Sachbücher lese ich nicht so gerne, und dann ist es wunderbar, wenn mir (wie letztes Jahr mit THE ART FORGER) ein Hörbuch in den Schoß fällt, das all diese Themen in eine spannend geschriebene Geschichte packt.

THE BONES OF PARIS ist da vielversprechend. Laurie R. King nimmt einen klassischen amerikanischen Privatdetektiv – pleite, mit emotionalem Gepäck, aber dem süßen Pariser Leben sehr zugetan – und verpflanzt ihn ins kunstgetränkte Paris des Jazz-Age.

Ach, Paris. Wir haben es hier nicht mit Frühlingsduft und sonnigen Spaziergängen an der Seine zu tun. Nein, Paris hat in BONES OF PARIS eine ganz andere Seite:

Dekadenz und Abartigkeit geben sich die Hand mit Glamour und Extravaganz. Paris ist ein in der Sommerhitze brütender Moloch mit stinkenden Klärbecken und unterirdischen Gängen, deren Mauern aus Knochen gebaut wurden. Es ist aber auch die Stadt, in der ‚Shakespeare & Co.‘ die ersten Dashiel Hammett-Romane an seine Kunden verkauft, Gertrude Stein, Cole Porter und Ernest Hemingway durch Bars, Künstlertreffs und Parties wandeln, und wo Man Ray seine berühmt-berüchtigten Fotos schießt, der Zeit weit voraus und ein herrlicher Skandal.

Es ist die musikalische Zeit des Jazz, und in der Malerei experimentieren die Künstler mit dem Abartigen, dem Extremen, dem Grotesken. Surrealismus und Dadaismus erleben ihre Blütezeit. Taxidermisten stellen präparierte Tierhaut als Kunstobjekte aus. Fotografen ziehen sowohl Begeisterung als auch Empörung auf sich mit gewagten und düsteren Kompositionen. Und im Théatre du Grand-Guignol (das es tatsächlich gab) spielen Regisseure und Schauspieler mit der Faszination des Entsetzens: kurze Stücke über Morde und Vergewaltigungen wechseln sich mit übertieben komischen Einlagen ab. Der gemeinsame Nenner dieser Ära: Das Austesten und Überschreiten von Grenzen.

Geschickt mischt Laurie R. King Wirklichkeit und Fiktion und gibt dem Roman dadurch viel Authentizität und den Anklag einer kulturhistorischen Unterrichtsstunde. Viele der Figuren gab es wirklich, einige sind erfunden.

Zu letzteren zählt die Hauptfigur, der Privatdetektiv Harris Stuyvesant. Durch seine Augen betrachtet man Paris und dessen Kunstszene mit dem observativen Blick des Ausländers und Außenseiters, der sich zwar auskennt und anpasst, aber dennoch nicht wirklich dazugehört. Harris ist eine Figur, die über weite Strecken des Romans weder Sympathie noch Antipathie beim Hörer/Leser aufkommen lässt. Er wirkt recht cool und emotional unbeteiligt. Ein recht glatter Typ mit Tendenz zum Frauenheld.  Erst im späteren Verlauf der Geschichte bekommt Harris als Figur mehr Fülle, wenn seine Beziehung zu Sarah Grey und deren Bruder Bennet wichtig wird.

Genau da liegt aber auch ein Problem des Romans: Harris, Sarah und Bennet teilen eine tragische Vorgeschichte, die wir in THE BONES OF PARIS aber nur bröckchenweise erfahren. Es fehlt das Fundament. Diese Vorgeschichte hat Laurie R. King in TOUCHSTONE erzählt – einem Buch, das allerdings NICHT als 1. Teil der geplanten Serie um Harris Stuyvesant gilt (das soll dieses hier sein). Obwohl also gesagt wird, man müsste TOUCHSTONE nicht gelesen haben, möchte ich dem hier unbedingt wiedersprechen. Man kann sich in die von Tragik und Liebe geprägte Beziehung zwischen Harris und Sarah einfach nicht richtig einfühlen. Ein wichtiges Puzzlestück fehlt, und deshalb berührt THE BONES OF PARIS mich auch nicht so, wie es das wohl sollte. Schade.

Die Detektivgeschichte an sich plätschert übrigens recht unspektakulär dahin. Klassische Ermittlungen eben: Befragungen und Austausch mit der recht unwilligen Pariser Polizei. Zwar kommt am Schluss noch Spannung auf, aber die Lösung des Falles birgt keine Überraschung. Der Kreis der Verdächtigen ist schnell klar, und geübte Krimileser können im Ausschlussverfahren den Schuldigen leicht identifizieren.

Zum Sprecher:

Jefferson Mays spricht sehr sauberes, dem frühen 20. Jh. entsprechend zurückhaltendes Amerikanisch. Damit ist er sehr, sehr gut zu verstehen – immer ein Pluspunkt für den Hörer. Beeindruckend auch sein Französisch – so gut habe ich das noch von wenigen US-Sprechern gehört, und es kommt reichlich Französisch in BONES OF PARIS  vor.

Ansonsten zieht er dieses Hörbuch ohne wirkliche Höhepunkte durch. Die Geschichte bietet nicht viele Spannungsmomente, so dass auch Mays nicht wirklich glänzen kann. Auch in der Figureninterpretation bleibt er ordentlich, wenn auch unspektakulär. Fragt sich, ob seine letztlich durchschnittliche Leistung  der wenig dramatischen Textvorlage geschuldet ist, oder ob Mays aus einem anderen Stoff auch stimmlich mehr hätte machen können.

Fazit:

Ein Detektivroman mit blass bleibenden Figuren und einer nicht weiter erwähnenswerten Kriminalgeschichte, aber mit einem lehrreichen und überzeugenden Setting. Wer sich für Surrealismus und Dadaismus und die Dekadenz des Jazz Age interessiert, ist hier goldrichtig. Paris als morbider Spielplatz für Künstler mit Faible für das Extreme, Makabre, Verbotene – das ist atmosphärisch dicht und geradezu spürbar dargestellt. Illustre und real existierende Berühmtheiten wie Man Ray, Ernest Hemingway und Cole Porter bereichern THE BONES OF PARIS und machen den Roman zu einer Geschichtsstunde in Sachen Kunst und Zeitgeist.

Für Krimifans eher nicht zu empfehlen, dafür aber ein Fest für alle, die gerne in Kultur- und Kunstgeschichte schwelgen und vor einem gewissen Schauer- und Ekelfaktor nicht zurückschrecken.

Bewertung:

Hörbuch: 6/10

Sprecher: 6/10

Die Website der Autorin bietet reichlich Infos zu ihren Büchern sowie einen Blog: http://www.laurierking.com/

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