Rezension: ‚Das Lächeln meiner Mutter‘ von Delphine de Vigan

12Titel: ‚Das Lächeln meiner Mutter
Originaltitel: Rien ne s’oppose à la nuit
Autorin: Delphine de Vigan
aus dem Französischen von: Doris Heinemann
Format: gebundene Ausgabe
Verlag: Droemer
erschienen: 01. März 2013
Länge: 384 Seiten

Inhalt (Droemer):

»Du bist nicht so wie andere Mütter« – Von klein auf weiß Delphine, dass ihre Mutter talentierter, schöner, unkonventioneller ist als andere. Wie wenig diese jedoch dem Leben gewachsen ist, erkennt die Tochter erst als Erwachsene. Warum hat Lucile sich für den Freitod entschieden? Diese Frage treibt Delphine seit dem Tag um, an dem sie ihre Mutter tot aufgefunden hat. Sie trägt Erinnerungsstücke zusammen, spricht mit den Geschwistern ihrer Mutter, mit alten Freunden und Bekannten der Familie. Es entsteht das Porträt einer widersprüchlichen und geheimnisvollen Frau, die ihr ganzes Leben auf der Suche war – nach Liebe, Glück und nicht zuletzt nach sich selbst. Gleichzeitig zeichnet Delphine das lebendige Bild einer französischen Großfamilie im Paris der 50er und 60er Jahre. Erinnerung um Erinnerung lernt sie ihre Mutter und schließlich auch sich selbst zu verstehen.
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Rezension: ‚M: Ein Tabor Süden Roman‘ von Friedrich Ani

11Titel: M – Ein Tabor Süden Roman
Autor: Friedrich Ani
Sprache: Deutsch
Format: Hardcover
Verlag: Droemer-Knaur
erschienen: 1. Oktober 2013
Länge: 368 Seiten

Inhaltsangabe:

»Er war irgendwie anders in letzter Zeit.« Mit diesen Worten beauftragt die Redakteurin Mia Bischof die Detektei Liebergesell, nach ihrem vermissten Freund zu suchen. Süden und seine Kollegen kommt die Frau von Anfang an seltsam vor. Sie sehen sich in ihrem unguten Gefühl bestätigt, als irritierende Hinweise im Arbeitsumfeld des Vermissten auftauchen. Er habe Kontakt zu Neonazis, heißt es. Doch Mia bestreitet das vehement. Süden schiebt seine persönlichen Bedenken beiseite – bis seine Kollegen in höchste Gefahr geraten und er um ihr Leben fürchten muss.

Zum Buch

Ex-Polizist und Privatdetektiv Tabor Süden hatte die Ehre, mich durch den Jahreswechsel zu begleiten. ‚M‘ ist der neueste und 19. Band der Krimi-Reihe vom Münchner Autor Friedrich Ani, und für mich war es die erste Begegnung mit dem Detektiv. Mein Mann hatte mir das Buch geschenkt, und obwohl ich Serien normalerweise am Start beginne, kam es diesmal nicht in Frage. Für 18 Vorgänger-Bände müsste ich zu viel anderes Lesenswertes an die Seite legen.

Ich brauche ein bisschen, bis ich im Buch drin bin. Das liegt aber, glaube ich, nicht daran, dass ich die Vorgeschichten der Figuren nicht kenne. Ani charakterisiert sehr vorzüglich, und schnell hat man den Eindruck, die Angestellten der Detektei Liebergesell als Menschentypen gut einordnen zu können. Tabor Süden ist der Einzige, der etwas kryptisch bleibt, aber das gehört scheinbar mit zu dieser Figur.

Verwirrende Perspektivwechsel

Was mich beim Lesen immer wieder stört, sind die Perspektivwechsel, bei denen man meist einen ganzen Paragraphen braucht, um zu wissen, wer jetzt ’sie‘ oder ‚er‘ ist, um wen es also geht. Ich verstehe nicht, warum das so sein muss, warum Ani nicht direkt Namen benutzt. Ist für mich nur stilistische Spielerei und unnötig. Ärgert mich regelrecht.

Braunes Gesocks aus gutem Hause

Ansonsten ärgert mich allerdings wenig. Okay, es ist keine rasante Geschichte. Allmählich wühlt sich der langhaarige, lederbehoste Süden mit seiner Undurchdringlichkeit und seinen Fragezeichen-losen Fragen durch den Fall, mit wachsendem Entsetzen über den braunen Sumpf, in dem er dabei versinkt. Wer mal etwas lesen möchte über Neo-Nazis, die NICHT glatzköpfig und mit hohlen Sprüchen gröhlend schon aus 3km Entfernung zu erkennen sind, sondern über viel subtilere, ‚intelligentere‘ Rechtspopulisten, die NICHT aus einfachen sozialen Verhältnissen stammen, der kann hier mit mir Gänsehaut bekommen. Dass Menschen mit Bildung, liberalen Jobs und ‚gutem Hause‘ nationalsozialistisches Denken als Grundüberzeugung kultivieren, ist schon schockierend. Und dass man aufgrund ihres Status nicht an sie herankommt, und weil die Ermittlungsbehörden sich gegenseitig im Weg stehen oder sogar mit zu diesem Sumpf gehören, macht einen beklommen.

Parallel zu diesem Handlungsstrang packt ‚M‘ mit einer Kidnapping-Geschichte, die mir richtig an die Nieren geht. Mütter, die Kinder verlieren – das macht mich fertig und tut es auch hier. Weshalb mir Edith Liebergesell auch lange vor Tabor Süden ans Herz wächst. Ich leide mit ihr. Und trauere mit der Detektei um eine rasch liebgewonnene Figur, die auf der Strecke bleibt. Wenn mich das schon so mitnimmt, wie geht das erst langjährigen Fans?

Cooler Typ, aber nicht meiner

Süden selbst bleibt mir ein wenig fremd. Ich verstehe seine Kombination aus Unberührbarkeit und plötzlich tiefen Emotionen nicht immer. Da sehe ich manchmal keine Kongruenz, keine Übergänge. Er wird mir im Laufe der Geschichte zwar sympathischer, aber dieser wortkarge Typ ist für mich nicht richtig einsortierbar. Er ist interessant, ohne Frage, und ich schlage mich auf seine Seite. Aber als Mensch ist er mir zu wenig greifbar.

Weshalb das wohl auch mein einziger Ausflug in die Tabor Süden Reihe bleiben wird. Und ihr versteht das bitte richtig: Ein gutes Buch, und eine Hauptfigur mit Markanz. Aber die Chemie stimmt zwischen uns nicht. Ich bin mir sicher, er wird auch ohne mich erfolgreich weiter ermitteln.

Bewertung: 7 von 10 Punkten

Rezension: Das böse Mädchen von Mario Vargas Llosa

8Titel: Das böse Mädchen
Autor: Mario Vargas Llosa
Sprache: Deutsch (Originalsprache: Spanisch)
Format: Taschenbuch
Verlag: Suhrkamp
erschienen: 26. November 2007
Länge: 395 Seiten

Inhalt (Suhrkamp):

Wie gelingt es ihr nur immer wieder, ihn um den Finger zu wickeln? Und warum tut sie das, wenn sie seine ehrlichen Gefühle doch zugleich schroff zurückweist? Schon als aufmüpfige Halbwüchsige verdreht sie dem jungen Ricardo im konservativen Lima der 50er Jahre den Kopf. Von da an wird sie regelmäßig seine Wege kreuzen, wird in Paris, London, Madrid oder Tokio mal als Guerrillera, mal als Heiratsschwindlerin mit falschem Paß in sein Leben treten – und es immer wieder durcheinanderwirbeln. Auf rätselhafte Weise scheinen beide dennoch füreinander bestimmt; oder ist nur er es, der nicht lassen kann von diesem faszinierend »bösen Mädchen«?

Zum Buch:

In Peru war ich noch nie. Auch nicht mit einem Buch. Das ändert sich schlagartig mit ‚Das böse Mädchen‘: Zusammen mit dem Protagonisten des Romans, Ricardo, streife ich durch das sommerleichte Miraflores, ein Stadtviertel Limas, Perus Hauptstadt. Ricardo und seine Kumpel sind jung, die Herzen fliegen, und in diesem Zustand verdreht ihm ein mysteriöses und kapriziöses Mädchen aus Chile den Kopf. Der Anfang einer lebenslangen Obsession.

Was folgt, ist ein in bunten Tupfern über den Globus verteiltes halbes Jahrhundert, während dessen Ricardo ‚wie ein Mondkalb‘ (O-Ton) immer wieder besagtem bösem Mädchen verfällt. Streiflichtartig halten wir uns mit dem peruanischen Übersetzer im Paris der 60er auf, im swinging London, in Tokyo und schließlich unter Künstlern in Madrid. Diese Stippvisiten sind lebendig, bunt, von Zeitgeist erfüllt, allerdings begrenzt auf das jeweilige Stadtviertel und Ricardos Erlebniswelt. Erlebnis- und Kulturkleckse eben, schön beschrieben, in Vargas Llosas seltsam altmodisch floral und dennoch teils ordinär anmutendem Stil, der sich flüssig liest.
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Rezension: ‚Abschied von Atocha‘ von Ben Lerner

5Titel: ‚Abschied von Atocha‘

Originaltitel: ‚Leaving the Atocha Station‘

Autor: Ben Lerner

Sprache: Deutsch (Originalsprache: Englisch)

Format: gebundenes Buch

Verlag: Rowohlt

Erscheinungsdatum: 6. September 2013

Länge: 256 Seiten

Beschreibung (Klappentext):

Der junge amerikanische Lyriker Adam Gordon verbringt ein Jahr als Stipendiat in Madrid, auf der Suche nach sich selbst und seiner Rolle als Künstler. Schon beim Frühstück auf dem Dach seiner winzigen Mansarde (starker Kaffee und ein dicker Joint) horcht er in sich hinein und sucht nach einer, nach irgendeiner greifbaren Authentizität. Doch ob vor den verehrten Bildern im Prado, beim Zusammensein mit seinen beiden spanischen Geliebten, denen er das Blaue vom Himmel herunterlügt, oder auf der Bühne vor einem befremdlich begeisterten Publikum – immer bedrückender wird sein Verdacht, dass ihn und die Welt ein unüberwindlicher Graben trennt. Das liegt beileibe nicht nur an seinem holprigen Spanisch, das Anlass zu den kuriosesten Missverständnissen gibt, sondern an seiner wachsenden Überzeugung, dass er selbst eine ebensolche Fälschung ist wie seine nach dem Zufallsprinzip komponierten Gedichte. Immerhin, was ihm an Echtheit fehlt, ersetzt er durch blühende Phantasie. Doch dann geschieht der blutige Al-Qaida-Anschlag auf den Bahnhof Puerta de Atocha, und seine spanischen Freunde wollen ein politisches Bekenntnis von ihm …

Zum Buch:

‚Ich sagte mir, dass die Gedichte, ganz gleich, was ich tat, glanz gleich, was überhaupt irgendein Dichter tat, Flächen bilden würden, auf die die Leser ihren eigenen verzweifelten Glauben an die Möglichkeit einer poetischen Erfahrung – wie auch immer diese aussehen mocht – projizieren konnten oder die ihnen Gelegenheit bieten würden, deren Unmöglichkeit zu betreuern. […] nicht so sehr Gedichte als vielmehr eine Anhäufung von Materialien, aus denen sich Gedichte bauen ließen; sie waren reine Potenzialität, die der Artikulation harrte.‘

Ben Lerner, Abschied von Atocha

ABSCHIED VON ATOCHA ist eins der Bücher aus meinem Adventskalender und erweist sich für mich als Herausforderung, die ich nicht ganz meistere. Zumindest erschließt sich mir nicht, was an diesem Roman ’sehr lustig‘ sein soll, wie ein Kritiker des berühmten THE NEW YORKER behauptet. Gibt es da Missverständnisse zwischen mir, Ben Lerner, und Adam Gordon?

Überhaupt: Missverständnisse. Die ziehen sich – ungewollt und ebenso gewollt – durch das Buch. Adam’s Spanisch ist (zumindest zu Beginn) nur fragmentarisch vorhanden und führt neben anfänglicher hauptsächlicher Sprachlosigkeit seinerseits zu einer Menge falsch verstandener Aussagen –  aber auch zu einem Phänomen, das ich spannend finde: Adam spricht Sätze oft nicht zuende, weil ihm die Worte fehlen, oder er umschreibt, drückt sich nur vage aus. Sein spanischer Gegenüber nimmt diese Fragmente und füllt sie für ihn, gibt seinen Aussagen den Sinn, der darin zu liegen scheint (es aber oft gar nicht tut). Selbst leere Satzfetzen, mit denen Adam ein ums andere Mal seine eigene Ahnungslosigkeit überspielt, werden so durch die Interpretation des Gesprächspartners zu bedeutungsschweren Statements. Adam wird sich dieses Phänomens gewahr und benutzt es gezielt, um geistreicher und kreativer zu erscheinen, als er es eigentlich ist.

 

Und was ist er eigentlich? Das ist für mich beim Lesen die große Frage. Wohl auch für Adam selbst. Er ist mir nicht gerade sympathisch. Er klüngelt sich mit seinem Lyrik-Stipendium kiffend und saufend und Tabletten einwerfend durch sein Jahr in Madrid. Hat er eine echte psychische Erkrankung, oder ist die auch nur ein Vorwand? Seine Gedichte sind – ebenso wie seine verschleierten Konversationen – eine Mischung aus Zufall, Geklautem, Zusammengewürfeltem, das er so kunstvoll zusammenhanglos in Gedichtform gießt, bis man es schon wieder für große Lyrik hält. Hier wiederholt sich das Thema von oben – die Rezipienten füllen aufgrund von Erwartungen etwas mit Sinn, das eventuell gar keinen keinen Sinn beinhaltet und nur den Anschein vorgibt.

Auch den Frauenfiguren der Geschichte gegenüber tritt Adam alles andere als ehrlich auf. Er lügt tatsächlich das Blaue vom Himmel herunter, teils, um interessant zu erscheinen, teils aus Unsicherheit. Denn wenn man dieses cool-bekiffte Künstlerdasein mal genauer betrachtet, findet man unter all diesem Geflunker und Gefake einen jungen Mann, der Angst hat. Angst, nicht ‚echt‘ zu sein, gar kein Künstler, überhaupt keine eigene Identität zu haben, keinerlei Authentizität.

Authentizität. Manches erschließt sich mir nicht in ABSCHIED VON ATOCHA, aber doch, dass es genau darum geht: Bei sich zu sein, zu wissen, wer man ist, dazu zu stehen, und das auch auszudrücken, erst recht als Künstler. Oder eben nicht – so wie Adam. Im Gegensatz zu ihm wirken sämtliche anderen Figuren wahrhaftiger, sich ihrer selbst sicherer als er.

Als der Anschlag am Bahnhof von Atocha geschieht (schlagt das nach wenn ihr’s nicht mehr wisst, dieser Teil ist keine Fiktion), sieht es aus, als müsste Adam endlich Farbe bekennen und Position beziehen.

Ob er das tut oder nicht, könnt ihr selbst lesen, wenn ihr möchtet. Ihr solltet aber wissen, dass auch dieses Attentat aus dem Roman keinen handlungsgetriebenen Reißer macht, sondern dass es bei dem bleibt, was sich schon auf den ersten Seiten abzeichnet: Das Beobachten von Figuren. Introspektion. Sprache als untersuchter Gegenstand. Ein Zeit- und Generationenporträt. Sinnsuche. Selbstsuche.

Am Schluss schafft Ben Lerner dann den Kunstgriff, Adam’s scheinbar luftleere Persönlichkeit doch noch mit einem Hauch Identität zu füllen. Zumindest erwische ich mich dabei, dass ich in seinen Gedichten doch etwas sehe, das nicht gefaked sondern echt ist. Und in Adam entdecke ich angedeutetes Potential, jemand zu sein. Es ist klein, und vielleicht falle auch ich darauf herein, etwas Sinnloses automatisch mit Sinn zu füllen, aber da ist etwas.

Und wenn ihr ABSCHIED VON ATOCHA lest, dann kommt noch mal vorbei und diskutiert diesen Schluss mit mir aus. So ganz sicher fühle ich mich weder mit dem Roman noch mit der Bedeutung, die sich mir erschließt. Vielleicht ist genau das von Ben Lerner so gewollt: Dass ich denke, dass mehr daran ist, als ich sehen kann. Womit wir wieder bei Authentizität wären. Der Kreis schließt sich.

Fazit:

Ein amerikanischer Student wird durch ein Lyrik-Stipendium nach Madrid verschlagen. Von Zweifeln am eigenen Talent und der eigenen Authentizität durchtränkt, ist er ständig bemüht, beides vorzutäuschen. Zwischen Joints, Tabletten und Besäufnissen, zwischen Affären und Lesungen laviriert sich Adam durch den Anschein eines bedeutungsvollen Künstlerdaseins. Die politischen Ereignisse um den Anschlag auf die Bahnstation von Atocha zwingen ihn, Stellung zu beziehen. Oder doch nicht?

Ein kurzer, anspruchsvoller, nicht immer sympathischer Roman um Sprache, Authentizität, Missverständnisse und den Nebel der wahren  Bedeutung. So sehe ich das jedenfalls.

Bewertung:

6 von 10 Punkten

 

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Rezension: ‚Die Ordnung der Sterne über Como‘ von Monika Zeiner

Foto 3Titel: ‚Die Ordnung der Sterne über Como‘

Autorin: Monika Zeiner

Sprache: Deutsch

Format: gebundenes Buch

Verlag: Blumenbar (Aufbau Verlag)

erschienen: 6. März 2013

Länge: 607 Seiten

Klappentext:

Wie viel Liebe verträgt eine Freundschaft?

Dieser Roman handelt vom verpassten und verspielten Glück und von dem Unglück, im rechten Moment die falschen Worte gesagt zu haben. Er erzählt die Geschichte zweier Männer und einer Frau, die ihre Freundschaft und ihre Liebe aufs Spiel setzen.
Tom Holler, halbwegs erfolgreicher Pianist und frisch getrennt von seiner Frau, tourt mit seiner Berliner Band durch Italien. In Neapel hofft er seine große Liebe wiederzutreffen: Betty Morgenthal. Doch je näher ihre Begegnung rückt, desto tiefer taucht Tom in die Vergangenheit ein. Denn vor vielen Jahren verunglückte Marc, sein bester Freund und Bettys Lebensgefährte. Er hat keine andere Wahl, als die fatale Dreiecksgeschichte noch einmal zu erleben.
Berlin und Italien, Leichtsinn und Schwermut, Witz und Dramatik, die lauten und die leisen Töne – dieser Debütroman ist voller Musik.

Zum Buch:

‚Angehörige, dachte sie, indem sie sich kaum merklich mit ihrem Drehstuhl hin und her bewegte, was für ein seltsamer Ausdruck im Deutschen, den sie in Gedanken auch noch nach Jahren benutzte, weil es für ihn im Italienischen keine Entsprechung gab, der ausschließlich für negative, ja beinahe stets den Tod betreffende Gelegenheiten, wie schwere Krankheiten, Unfälle etc., benutz zu werden schien, niemals für erfreuliche. Einem Menschen angehörig schien man erst dann zu sein, wenn man dieses verlor.‘

Monika Zeiner, Die Ordnung der Sterne über Como

Der Titel des Romans von Monika Zeiner, Jahrgang 1971, ist lang und sperrig, gleichzeitig poetisch und damit sinnbildlich für das gesamte Buch. Die 607 Seiten kommen nicht von ungefähr. Gleich einem Jazz-Stück (und Jazz spielt eine der Hauptrollen in der Geschichte), wo improvisiert, angehängt, sich auf Tangenten verloren und ganz woanders hin gejammt wird als geplant, mäandert Zeiner’s Geschichte über Freundschaft und Liebe durch Bandwurmsätze, die sich gewaschen haben. Rekordverdächtig sind die Satzkonstruktionen allemal, und durchsetzt von Wortspielen, Wortschöpfungen, Wortbildern. Da bleibt nichts dem Zufall überlassen. Man hat beim Lesen das Gefühl, die Autorin habe einem Bildhauer gleich an jedem Satz herumgefeilt und ihn zig mal überdacht, bis er seine endgültige Form erreichte.

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Adventskalender: Buch #18

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Titel und Coverfoto suggerieren ein ungewöhnliches Liebespaar. Tatsächlich geht es in dem Roman des argentinisch-deutschen Autors auch genau darum – aber nicht so, wie erwartet: Das ‚Liebespaar‘ sind zwei Schwestern, die ihr Leben lang unzertrennlich durch Krisen, Glück und Hoffnung zusammenhalten. Ihr Weg führt von Deutschland nach Südamerika und nach New York. Zwei unterschiedliche, selbstbewusste Frauen, die sich von niemandem etwas sagen lassen und ganz ohne Männer ihr Leben leben.

Adventskalender: Buch #17

Auweh, das wird hart.

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Ein täuschend leichtfüßiges Cover verbirgt hier wohl eine heftige Geschichte: Lucas Mutter wacht eines Tages nicht mehr auf, und er beschließt, niemandem davon zu erzählen. Der Klappentext benutzt Worte wie ‚herzzerreißend‘, ‚wunderbar‘, ‚tragikomisch‘. Ich habe genauso viel Sorge wie Lust, bald dahinterzukommen, wie Luca sich alleine durchschlägt. Besonders pikant: Der Roman ist durch seine Augen geschrieben. Und wer 10jährige kennt, weiß sowohl um deren Unverblümtheit als um ihre Sensibilität. Ich sage ja: Das wird hart.

Die Autorin stammt übrigens aus Italien. Ich liebe es, wie mein Adventskalender zu einer Landkarte wird!

Adventskalender: Buch #16

Nach Wien wollte ich schon immer einmal. Dieser Kaleidoskop-Roman wird mich dorthin mitnehmen:

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In einem Café lernen sich Marie und Jakob kennen, ganz klassisch, als sie einen Kaffee umstößt. Das scheint aber nur eine Geschichte von vielen in diesem Romandebüt zu sein. ‚Modern und märchenhaft‘, verkündet der Klappentext verheißungsvoll, verknüft Margarita Kinstner Schicksale und Geschichten von Einsamkeit, Sehnsucht und Liebe.

Da komme ich gerne mit.

Adventskalender: Buch #15

Der bisher erste und einzige ‚Wiederholungstäter‘ in meinem Adventskalender heißt Jonathan Franzen. Nachdem ich Anfang Dezember schon ‚Freiheit‘ auspacken durfte, kamen am 15.12. ‚Die Korrekturen‘ zum Vorschein:

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Thematisch reizen mich ‚Die Korrekturen‘ mehr als ‚Freiheit‘, und der Roman passt auch gut zu Weihnachten:

Nach fünfzig Ehejahren schart eine Amerikanerin ihre Familie für ein letztes Weihnachtsfest um sich. Aber wie das so ist mit der Vorstellung von Harmonie und Beisammensein – die Wahrheit sieht anders aus. Krisen, Tragödien und Unglück gehören zum Leben und machen auch vor den Festtagen nicht halt.

Ich erwarte einen Familien- und Gesellschaftsroman voller beobachterischem Tiefgang. Habe ich Recht?

Adventskalender: Buch #14

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Da hatte ich gerade schon angefangen, zu monieren, dass mein Adventskalender nicht einen einzigen Thriller enthält – und schon erscheint einer! Cilla und Rolf Börjlind sind ursprünglich Drehbuchautoren (u.a. verantwortlich für die TV-Umsetzung der Arne Dahl-Thriller). Das sind gute Voraussetzungen für Spannung und reichlich Handlung.

Als Protagonistin in diesem Fall um eine ermordete Hochschwangere lernen wir die Kommissarin Olivia Rönning kennen, die diesen ‚cold case‘ nach Jahren nochmal neu aufrollt. Mit von der Partie: der damalige, an dem Fall zerbrochene Ermittler Tom Stilton.

Das hört sich nach einem interessanten Gespann und einem guten Auftakt für eine weitere gute schwedische Thriller-Reihe an. Ich freue mich drauf!