Rezension: Das böse Mädchen von Mario Vargas Llosa

8Titel: Das böse Mädchen
Autor: Mario Vargas Llosa
Sprache: Deutsch (Originalsprache: Spanisch)
Format: Taschenbuch
Verlag: Suhrkamp
erschienen: 26. November 2007
Länge: 395 Seiten

Inhalt (Suhrkamp):

Wie gelingt es ihr nur immer wieder, ihn um den Finger zu wickeln? Und warum tut sie das, wenn sie seine ehrlichen Gefühle doch zugleich schroff zurückweist? Schon als aufmüpfige Halbwüchsige verdreht sie dem jungen Ricardo im konservativen Lima der 50er Jahre den Kopf. Von da an wird sie regelmäßig seine Wege kreuzen, wird in Paris, London, Madrid oder Tokio mal als Guerrillera, mal als Heiratsschwindlerin mit falschem Paß in sein Leben treten – und es immer wieder durcheinanderwirbeln. Auf rätselhafte Weise scheinen beide dennoch füreinander bestimmt; oder ist nur er es, der nicht lassen kann von diesem faszinierend »bösen Mädchen«?

Zum Buch:

In Peru war ich noch nie. Auch nicht mit einem Buch. Das ändert sich schlagartig mit ‚Das böse Mädchen‘: Zusammen mit dem Protagonisten des Romans, Ricardo, streife ich durch das sommerleichte Miraflores, ein Stadtviertel Limas, Perus Hauptstadt. Ricardo und seine Kumpel sind jung, die Herzen fliegen, und in diesem Zustand verdreht ihm ein mysteriöses und kapriziöses Mädchen aus Chile den Kopf. Der Anfang einer lebenslangen Obsession.

Was folgt, ist ein in bunten Tupfern über den Globus verteiltes halbes Jahrhundert, während dessen Ricardo ‚wie ein Mondkalb‘ (O-Ton) immer wieder besagtem bösem Mädchen verfällt. Streiflichtartig halten wir uns mit dem peruanischen Übersetzer im Paris der 60er auf, im swinging London, in Tokyo und schließlich unter Künstlern in Madrid. Diese Stippvisiten sind lebendig, bunt, von Zeitgeist erfüllt, allerdings begrenzt auf das jeweilige Stadtviertel und Ricardos Erlebniswelt. Erlebnis- und Kulturkleckse eben, schön beschrieben, in Vargas Llosas seltsam altmodisch floral und dennoch teils ordinär anmutendem Stil, der sich flüssig liest.

Die ‚Liebesgeschichte‘ bildet dabei den roten Faden, aber tatsächlich hat das mit Liebe nicht viel zu tun. Jedenfalls von der Seite des bösen Mädchens aus. Wie eine Mischung aus der mädchenhaften Holly Golightly aus Breakfast at Tiffany’s und der skrupellosen Spionin Mata Hari kommt sie mir vor. Nach außen dominant, selbstabsorbiert, materialistisch, rücksichtslos, scheint unter dieser Schale ein verletzlicher Kern zu stecken – oder doch nur reine Berechnung? Sicher kann man nicht sein, nutzt sie Ricardos Vernarrtheit doch schamlos auf, ruiniert ihn mehrfach emotional und auch finanziell.

Ricardo dagegen betreibt eine seltsame Mischung aus Samaritertum und höriger Unterwürfigkeit. Einerseits tritt er immer wieder als der heldenhafte Retter auf, andererseits ist er im sexuellen ‚Nahkampf‘ mit dem bösen Mädchen der bettelnde Wicht, dem sie kühl und abweisend ab und an hohheitsvoll Zugang gewährt.

So feurig und – oho! – sexuell offenherzig sich das liest, so wenig kann ich diese Art von Beziehung doch nachvollziehen. Ich kann diese beiden nur erstaunt auf ihrem obsessiven Abenteuer begleiten, und dabei bleibt eine unverrückbare Wand zwischen mir und diesen zugleich exotisch und vulgär wirkenden Figuren. So wie man eben ein Thema betrachtet, das neugierig macht, mit dem man sich aber nicht identifizieren kann, und das einen letztlich nicht berührt.

Was bleibt am Schluss? Das Gefühl einer glamourös-verruchten Reise in die Vergangenheit, in quicklebendige Metropolen, mit zwei Reisegefährten, die interessant sind, mir aber fremd bleiben. Es bleibt aber auch die schöne Erkenntnis, dass Nobelpreisträger (2010 bekam Vargas Llosa den Nobelpreis für Literatur) nicht nur in einem unverständlichen literarischen Zenith thronen, sondern – wie hier – flüssig lesbare, kleine Romane schreiben, die ohne tiefschürfende Botschaften einfach nur unterhalten.

Fazit:

Eine Geschichte von Obsession, Abenteur, Lüge und Liebe (?) quer durch die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts, durchsetzt mit dem Flair europäischer Metropolen. Dazu ein bisschen südamerikanische Revolution, ein Touch Sado-Maso in Tokyo und das Aufeinanderprallen von hübscher und ordinärer Sprache. Durchaus interessant und unterhaltsam, flattert quirlig vorbei, aber ohne Nachhall. Immerhin erweitert sich der Horizont dabei: In Peru ist man hierzulande auch büchertechnisch ja selten unterwegs.

Bewertung: 6 von 10 Punkten

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