Rezension: ‚The Cuckoo’s Calling (Cormoran Strike #1)‘ von Robert Galbraith

The cuckoo's callingTitel: ‚The Cuckoo’s Calling‘

dt. Titel: ‚Der Ruf des Kuckucks‘ (erscheint am 30. November 2013)

Autor: Robert Galbraith (aka J.K. Rowling)

Sprache: Englisch

Format: eBook, Kindle Edition

erschienen: 18. April 2013

Seitenzahl der Print-Ausgabe: 464 Seiten

Beschreibung (amazon):

Als das berühmte Model Lula Landry von ihrem schneebedeckten Balkon im Londoner Stadtteil Mayfair in den Tod stürzt, steht für die ermittelnden Beamten schnell fest, dass es Selbstmord war. Der Fall scheint abgeschlossen. Doch Lulas Bruder hat Zweifel – ein Privatdetektiv soll für ihn die Wahrheit ans Licht bringen.

Cormoran Strike hat in Afghanistan körperliche und seelische Wunden davongetragen, mangels Aufträgen ist er außerdem finanziell am Ende. Der spektakuläre neue Fall ist seine Rettung, doch der Privatdetektiv ahnt nicht, was die Ermittlungen ihm abverlangen werden. Während Strike immer weiter eindringt in die Welt der Reichen und Schönen, fördert er Erschreckendes zutage und gerät selbst in große Gefahr …

Zum Buch:

Als THE CUCKOO’S CALLING im April 2013 erscheint, weiß zunächst noch niemand, dass hinter diesem Krimi-Debut von einem gewissen Robert Galbraith in Wirklichkeit jemand ganz anderes steckt: J.K. Rowling, die Schöpferin von Harry Potter. Nach dem großen Tamtam um A CASUAL VACANCY hat sie wohl das Bedürfnis, ihr nächstes Buch nur nach dessen Inhalt und nicht nach dem Namen der Autorin beurteilen zu lassen.

Das geht gut, bis im Juli 2013 die Wahrheit über das Pseudonym ans Licht kommt. Zuvor sind lediglich 1.500 Exemplare von THE CUCKOO’S CALLING verkauft worden; nach Bekanntwerden der echten Autorin schnellt das Buch im Nullkommanichts auf den Bestsellerlisten ganz nach oben. Soviel zu J.K. Rowling’s nettem Versuch, es diesmal anders zu machen.

Dabei ist es lange genug her und thematisch auch weit, weit genug von Harry Potter entfernt, um THE CUCKOO’S CALLING ganz objektiv anzugehen. Anderes Genre, andere Zielgruppe, ganz, ganz andere Welt – als ich es anfange zu lesen, halte ich mich für relativ unbefangen.

Eins vorweg: Ich bin nicht so der große Krimileser. Wenn es um Verbrechensaufklärung in Büchern geht, hab‘ ich’s gerne etwas wilder, schneller, blutiger, spannender. Einen Thriller, der mich ans Buch nagelt, ziehe ich in der Regel geruhsamer Ermittlungsarbeit vor. Aber nach mehreren positiven Bewertungen anderer Blogger schiebe ich diese Bedenken beiseite.

Tatsächlich stellt sich THE CUCKOO’S CALLING als klassischer Kriminal- bzw. Detektivroman heraus. Ein Großteil der Geschichte besteht aus hartnäckiger Ermittlungsarbeit anhand von zahllosen Zeugenbefragungen. Viele, viele Dialoge verfolgt der Leser, als würde man dem guten Cormoran als Praktikant hinterhertrotten, der gefälligst mitschreiben und aufpassen soll. Diese Dialoge sind nicht langweilig, beschränken sich aber oft – berichtartig – rein auf die wörtliche Rede. Manchmal hätte ich mir etwas mehr ‚Drumherum‘ gewünscht, etwas mehr Beschreibung oder einen Blick in Cormoran’s Gedankengänge. Was der sich da in seinem Kopf zusammenreimt, bleibt uns nämlich (zumindest, was den Fall angeht), größtenteils verborgen.

Der positive Effekt: Man rätselt mit. Wir haben es mit einem echten Whodunit zu tun, inklusive einer schlüssigen Auflösung am Schluss, die garantiert wasserdicht ist. Ich muss zugeben, dass ich es nicht rausgekriegt habe, und es braucht wohl die lange Erfahrung und logische Denke eines Typen wie Cormoran, um die Puzzlestücke richtig zusammenzusetzen. Es wirkt jedenfalls überzeugend.

Mir als Thriller-Fan fehlt ein bisschen der Speed. Und auch, als es am Schluss doch noch spannend und dramatisch zu werden scheint, bleibt das ganz große Mitfiebern und Nägelbeißen aus. Das ist aber wohl auch nicht beabsichtigt, und wird passionierten Krimilesern nicht fehlen.

Das ganz große Plus und mein persönlicher Grund für die gute Bewertung sind, neben einem angenehmen Schreibstil, die starken Charaktere. Cormoran Strike – der Name allein ist doch schon beeindruckend. Dahinter verbirgt sich ein echter Typ: Ein Schrank von einem Mann, behaart wie ein Bär, Sohn eines Rockstars und dessen an Drogen verendetem Super-Groupie. Cormoran erwartet man eher an der Tür eines Nachtclubs, wo er mit grimmiger Miene die Kundschaft aussortiert. Stattdessen aber ist er Privatdetektiv – zu Beginn des Romans ohne einen einzigen Kunden und pleite – und dazu noch Afghanistan-Veteran mit Beinprothese. Hinter der rauen Schale verbergen sich viel männlicher Stolz und ein sensibler Kern. Der blitzt besonders hervor, wenn es um Cormoran’s frisch gescheiterte Beziehung geht, aber auch im unsicheren Umgang mit seiner neuen Assistentin.

Und damit sind wir bei Robin, von einer Zeitarbeitsfirma für eine Woche an Cormoran vermittelt. Ihre schnelle Intelligenz, ihre Begeisterung für’s ‚Detektiv spielen‘ und ihre pragmatische Effizienz sind ein Segen für den driftenden Privatermittler. Dass er das selbst merkt und sie bald nicht mehr missen möchte, ist genauso klar wie aufkommendes Konfliktpotential zwischen Robin und ihrem Verlobten.

Cormoran und Robin sind ein ebenso gegensätzliches wie perfekt zueinander passendes Team. Ihre vorsichtige Annäherung sorgt für Wärme und gute Unterhaltung in einer Geschichte, die ansonsten eher faktisch daherkommt und, durch Cormoran’s düsteren Seelenzustand, von Melancholie geprägt ist.

Auch die Nebenfiguren handelt Galbraith/Rowling nicht leichtfertig ab. Ihm/ihr gelingen gestochen scharfe Charakterisierungen der flatterhaften Showbiz-Gestalten und ihrer Möchtegern-Entourage, im Kontrast zum spießig-hochnäsigen Ensemble an Anwälten und deren stinkreichen Familien. Alle scheinen sie irgendwie Dreck am Stecken zu haben, und nach der Wahrheit hinter all diesen Fassaden muss man mit Cormoran und Robin lange suchen.

Was mir noch auffällt, ist Galbraith’s/Rowling’s Schreibstil. Der ist nicht blumig, nicht metaphorisch, eher pragmatisch. Aber immer wieder streut sie auch Stellen ein, die überraschend berühren und ihr schriftstellerisches Talent unter Beweis stellen. Man horcht bei diesen Sätzen auf, steckt auf einmal tief in der Geschichte und ihren Personen drin, fühlt Atmosphäre. Hinzu kommt, dass ich bei diesem Roman öfters mal zum Wörterbuch gegriffen habe, um genaue Bedeutungen nachzuschlagen. Dabei geht es nicht um irgendwelche hochgestochenen Wörter, sondern oft um einfache Verben wie z.B. ‚to jettison‘, die schöne Variationen in vertraute und oft abgenutzte Wortfelder hineinbringen. Sowas mag ich, erweitert es doch spielend meinen englischen Alltagswortschatz.

Fazit:

Ein klassischer, ruhiger Detektivroman mit zwei sympathischen Hauptfiguren. Durch minutiöse und dialoglastige Ermittlungsarbeit klärt der in einem seelischen Loch sitzende Cormoran Strike einen als Selbstmord getarnten Mord auf. Unterstützt wird er durch die sonnige Neu-Assistentin Robin, die frischen Wind in die Geschichte und Cormoran’s Dasein bringt.

THE CUCKOO’S CALLING portraitiert den illustren und korrupten Kosmos um das Supermodel Lula mit spitzer Feder, ohne dick aufzutragen. Die Figuren und ihre Aussagen sprechen für sich selbst.

Die Auflösung des Falles ist schlüssig und – soweit ich das nachvollziehen kann – ohne jeden Logikfehler. Saubere Arbeit. Vorhersehbar ist dieser Whodunit aber nicht! Man hangelt sich als Leser von einem Verdächtigen zum nächsten und ist für die Lösung doch auf Cormoran angewiesen.

Es endet zwar nicht mit einem Knall, aber mit einer Überraschung und mit einem Anziehen des vorher doch sehr gemächlichen Spannungsbogens. Kein Thriller eben, aber ein guter Krimi.

Sollte es einen zweiten Fall für Cormoran Strike geben, habe ich jedenfalls genug Gründe gefunden, diesen dann auch zu lesen.

Bewertung: 7 von 10 Punkten

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