Titel: ‚Extinction Point‘
Autor: Paul Antony Jones
Sprache: Englisch
Format: e-Book, Kindle Edition
Verlag: 47th North
erschienen: Februar 2013
Seitenzahl der Printausgabe: 308 Seiten
Inhaltsangabe:
New York, Jetztzeit. Roter Regen fällt. Ein paar Stunden später beginnen die Menschen überall auf der Welt zu sterben. Alle, bis auf die Reporterin Emily Baxter. Doch das ist nicht alles. Etwas geschieht mit den Toten. Emily sieht sich mit der völligen Einsamkeit konfrontiert, und mit außerirdischen Lebensformen, die die Erde verwandeln.
Mit dem Fahrrad macht Emily sich auf den Weg durch eine Welt, die immer fremder und bedrohlicher wird.
Zum Buch:
Es gibt keine vernünftige Erklärung, warum ich ausgerechnet zu Ostern ein e-Book über das Ende der Welt lesen musste. Als Reaktion auf das beängstigend verrückte Winterwetter vielleicht? Oder weil auch im Buch Tote wieder auferstehen, allerdings als etwas ganz Anderes?
EXTINCTION POINT flatterte jedenfalls als ‚Deal des Tages‘ auf meinen Kindle, nachdem die Leseprobe mich neugierig gemacht hatte. Mit Schneetreiben vor dem Fenster, in einer warmen Ecke am Kamin, verschlinge ich Paul Antony Jones‘ Post-Apokalypse mit einer Mischung aus Gier und Grusel innerhalb von zwei Tagen.
Das Anfangsszenario ist faszinierend entsetzlich: Nachdem die Hauptfigur Emily Baxter in ihrem Mikrokosmos ausreichend vorgestellt ist, spielt sich Grauenhaftes ab. Aus Osteuropa wird eine merkwürdige Wetteranomalie gemeldet. Regen, rot und dickflüssig wie Blut, fällt für ein paar Minuten vom Himmel. Dann passiert erst einmal gar nichts, und das Leben geht ganz normal weiter. Das Phänomen wandert von Ost nach West über die Erde und erreicht schließlich auch New York. Von einem Café aus wird Emily dort Zeugin des ‚roten Regens‘, der von den abgebrühten New Yorkern mit einer Mischung aus Verwirrung, Beunruhigung, und schließlich achselzuckender Gleichmut hingenommen wird. Das Ganze scheint ja harmlos zu sein. Nur Emily, von berufswegen sowohl skeptisch als neugierig, hat die düstere Ahnung, dass das noch nicht alles war.
Es ist ein bisschen seltsam, wie wenig sich die Menschen über den ‚roten Regen‘ aufregen. Man sollte Panik erwarten, en masse, aber die bleibt aus. Zwar sollen die New Yorker ja besonders hart im Nehmen sein, aber das ist schon etwas unrealistisch. Und auch, dass es keinen zu beunruhigen scheint, dass es sich um ein globales Phänomen handelt, ist trotz der amerikanischen Eigenart, selten über die eigenen Landesgrenzen hinauszuschauen, nicht nachvollziehbar.
Spannend und unheimlich ist es trotzdem. Und wird ganz heftig, als wenige Stunden später das große Sterben beginnt. Auch die Amerikaner werden wach, als – teils live auf dem Bildschirm – in Europa die Menschen urplötzlich und innerhalb von Minuten, aus allen Körperöffnungen blutend, tot umfallen. Schnell wird klar, dass Amerika das gleiche Schicksal droht. Endzeitstimmung setzt jetzt ein.
Im Buch sind das etliche Seiten, die man voll ängstlicher Erwartung aufsaugt, denn Paul Antony Jones ist niemand, der sich hetzen lässt. Schon früh erkennt man seinen Stil: Klare Sprache, unkomplizierte Sätze und sehr detaillierte Schilderungen sämtlicher Handlungsabläufe, so dass die Geschichte fast dokumentarisch wirkt. Kaum eine Einzelheit lässt Jones aus, wenn Emily etwas tut. Wenn sie auf ihr Fahrrad steigt, steigt sie nicht einfach auf – sie schließt mit sorgsam beschriebenen Bewegungen ihrer Hände das Fahrradschloss auf, befestigt es am Rad, stellt das Rad günstig zum Aufsteigen hin, greift an den Lenker (den sie vorher ebenso ausführlich abgewischt hat), positioniert ihr Gesäß auf dem Sattel, verteilt ihr Gewicht optimal, stößt sich so und so vom Bordstein ab und…fährt endlich los.
Das macht Jones bei allen Handlungsabläufen so, und das kann schon mal nerven. Es ist wirklich nicht immer nötig, dass wir jede verdammte Einzelheit geschildert bekommen. Vor allem, da Jones wesentlich knapper unterwegs ist, wenn es um die Schilderung Emily’s Gefühlslebens geht. Wir erfahren zwar viele ihrer Gedanken – was sie plant, wie sie vorgehen will, was wie funktionieren könnte und was nicht – aber wenig über ihre Emotionen. Die ganze Geschichte wirkt tatsächlich, als hielt jemand mit einer Kamera drauf und nähme jedes Detail lückenlos auf. Als seien Emily’s Augen diese Kamera, die filmt, ohne dabei viel in die Handlung hineinzulesen. Kaum Interpretation oder Emotion. Ein kühler Tatsachenbericht. Was, im positiven Sinne, EXTINCTION POINT sehr real wirken lässt.
Wie die Inhaltsangabe verrät, bleibt Emily die einzige Überlebende des Blutregens. Den Mittelteil der Geschichte werden wir Zeuge, wie sie mit der plötzlichen Einsamkeit umgeht und sich erst einmal einigelt. Das hat ein Ende, als offenbar wird, dass mit den Toten etwas geschieht. Gruselige Metamorphosen ereignen sich. Emily begreift, dass es sich nur um Eines handeln kann: eine außerirdische Invasion. Angetrieben von Angst und einer weiteren Überraschung, bricht Emily schließlich gen Norden auf, und zwar mit dem Fahrrad.
Tja, und das ist einer der etlichen Punkte, wo sich EXTINCTION POINT durch kleine Unglaubwürdigkeiten als fiktiv entlarvt. Nur weil sie keinen Führerschein hat, sieht Emily sich nicht in der Lage, in ein Auto zu steigen und damit nach Kanada zu fahren. Sie versucht es noch nichtmal – und das im Land der Automatik-Wagen und ohne jede Form von Verkehr, auf den sie achten müsste. Also bitte. Das tut schon fast weh.
Darüber hinweg tröstet einen aber das insgesamt clever erdachte Invasions-Szenario, das, wie sich herausstellt, eine besonders perfide Version von außerirdischem Öko-Terrorismus darstellt. Die ganze Erde verwandelt sich, ohne dass schon deutlich wird, wohin oder wozu.
Fazit:
Manchmal muss man schon arg mit den Augen rollen. So ganz glaubwürdig ist das ein oder andere nicht. Und man muss die endlosen deskriptiven Passagen überstehen, in denen Paul Antony Jones jeden einzelnen Handgriff der Hauptfigur geradezu lückenlos dokumentiert.
Belohnt wird man, wenn man das aushält, mit einer intensiven, gruseligen und klug ausgedachten Invasionsgeschichte. Die Übernahme und Transformation der Erde von einer außerirdischen Lebensform, zu einem Zweck, der sich in Buch 1 noch nicht ganz erschließt. Auch, welche Wesen jetzt wirklich am Ruder sind und dahinter stecken, wird noch nicht klar – Stoff für eine Fortsetzung.
Die Hauptfigur wirkt manchmal etwas nervig mit ihrer akribischen Art, die allerdings auf Jones‘ Schreibstil beruht und weniger Emily’s Schuld ist. Emotional ist sie eher nüchtern angelegt, und philosophiert wird hier auch nicht. Trotzdem schlägt man sich auf Em’s Seite und möchte am Schluss des Buches wirklich gerne wissen, wie es weitergeht. Genau darauf ist das Ende auch angelehnt, denn eigentlich geht es jetzt erst richtig los.
Bewertung: 6 von 10 Punkten
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