Rezension: ‚Léon und Louise‘ von Alex Capus

Leon und LouiseTitel: Léon und Louise

Autor: Alex Capus

Sprache: Deutsch

Format: Taschenbuch

Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag

erschienen: Juli 2012

Länge: 320 Seiten

Inhaltsangabe (amazon):

Zwei junge Menschen verlieben sich, aber der Krieg bringt sie auseinander: Das ist die Geschichte von Léon und Louise – die Geschichte einer großen Liebe, gelebt gegen die ganze Welt. Sie beginnt mit ihrer Begegnung im Ersten Weltkrieg in Frankreich an der Atlantikküste, doch dann trennt sie ein Fliegerangriff mit Gewalt. Sie halten einander für tot, Léon heiratet, Louise geht ihren eigenen Weg – bis sie sich 1928 zufällig in der Pariser Métro wiederbegegnen. Ein Paar, das gegen alle Konventionen an seiner Liebe festhält und ein eigensinniges, manchmal unerhört komisches Doppelleben führt.

Zum Buch:

Als ich LÉON UND LOUISE aufschlage, habe ich fast das Gefühl, einem alten Bekannten zu begegnen, so oft ist mir dieser Roman schon empfohlen worden. Vielleicht liegt es auch an dem Zeitrahmen, den Alex Capus‘ Geschichte umschließt: Vom ersten Weltkrieg bis fast zum Ende des letzten Jahrhunderts folgen wir der alles andere als unkomplizierten Liebes- und Lebensgeschichte dieses kuriosen Pärchens. Beim Lesen habe ich das Gefühl, bei meiner Großmutter auf dem Sofa zu sitzen und ihr – so wie ich das oft tat, als sie noch lebte – andächtig beim Erzählen ihrer Erinnerungen zu lauschen.

Natürlich, der Roman spielt nicht in Deutschland, sondern in Frankreich. Das hat einen besonderen Charme, und Capus (der gebürtige Schweizer), schafft es, der Geschichte selbst in ernsten Passagen ein luftiges Flair zu erhalten. Mit Leichtigkeit die Besetzung Paris‘ durch die Nazis zu schildern, das will gekonnt sein. Ohne den Ernst der Lage zu verharmlosen, schafft Capus den Spagat zwischen Humor, Tragödie und Abenteuer. Chapeau!

Überhaupt ist LÉON UND LOUISE eine dieser ’nebenbei‘ erzählten Geschichtsstunden, wie ich sie liebe. Da kommt keiner mit dem Holzhammer, um mir etwas über den ersten und dann den zweiten Weltkrieg einzutrichtern. Die großen politischen Zusammenhänge werden nicht abgehandelt. Völlig un-abstrakt und auf Léon und Louises jeweiligen Mikrokosmos konzentriert, erlebt der Leser Geschichte als das ganz alltägliche Eintreten von Ereignissen und die Strategien der Hauptpersonen, damit umzugehen. Man ist mittendrin.

In diesem Rahmen möchte ich eine meiner Lieblingsszenen erwähnen, als Léon bei einem ganz normalen Erledigungsgang in Paris ein Auto vorbeifahren sieht, in dem er Hitler sitzen sieht. Es ist eine kleine, dennoch eindrucksvolle Szene, die typisch ist für den Roman: Léon und Louise sind nur ‚kleine Fische‘ im Meer der Historie, in der sie schwimmen. Die großen Dramen der Weltkriege sind ebenso nicht mehr als die Leinwand, auf der die zwei nichtsdestotrotz ihre eigene kecke Geschichte malen.

Und was ist das für eine Liebe! Unvergesslich schon die erste Begegnung, auch hier alltäglich und scheinbar bedeutungslos, aber dennoch so groß und prägend. Beschwingt, aber niemals seicht macht uns Capus vertraut mit dem stillen, soliden Léon und der selbstbewussten, lebensfrohen Louise. Wie sie sich finden, verlieren, wieder finden und wieder verlieren, ist herzerwärmend, traurig, unterhaltsam, spannend und in keiner Sekunde langweilig. Glück und Trauer gehen Hand in Hand, und obwohl der Beginn des Romans eigentlich das Ende vorweg nimmt, ist der Weg dorthin eine bezaubernde, berührende Reise.

Auch den Nebenfiguren widmet sich Capus mit beschwingter Hingabe und Lebensklugheit. Was leichthin gezeichnet wirkt, ist auf den zweiten Blick eine pointierte Auseinandersetzung mit den Figuren und ihrer Entwicklung. Ob es Léon’s Ehefrau ist, der Nazi-Kommandeur im Labor oder die Concièrge in Léon’s Haus – sie alle sind plastische Figuren, mit Schwung und Tiefgang gezeichnet. Erstaunlich, dass Capus dabei ohne seitenlange Introspektion auskommt. Ohne großes Brimborium, aber mit sichtlich sorgfältiger Wortwahl zieht er uns dicht an die Figuren heran, ohne dass wir es merken.

Trotz der großen Zeitspanne, die der Roman erfasst, verfliegen die Seiten wie von selbst. Besteht einmal die Gefahr, dass die Geschichte sich irgendwo verfängt, sorgt Capus mit Kunstgriffen wie exotischen Orten, Briefwechseln und unerwarteten Begegnungen für frischen Wind. Besonders Louise mischt die Geschichte mit ihrer unverblümten Art immer wieder auf, während der verlässliche Léon ganz subtil Rebellion betreibt. Selbst wenn nicht viel passiert, passiert doch viel.

Fazit:

Ein Buch, das man mit einem zufriedenen Seufzen und etwas Wehmut aus der Hand legt, wenn man fertig ist. Kein Schwergewicht, aber trotzdem kraft- und eindrucksvoll. Auf leisen Sohlen und mit feinem Humor beschert Capus uns eine Liebesgeschichte in Frankreich vor dem Hintergrund der beiden Weltkriege. Capus‘ charmante Geschichte verleugnet dabei nie das Drama, das Unglück und die Tragödien der Kriegszeit. Im Gegenteil: Hier ist ein Plädoyer für das Leben und die Liebe, quer durch die Zeit und trotz allem.

Léon und Louise. Die zwei werde ich so schnell nicht vergessen.

Bewertung: 10/10

PS: Danke an @bookberry, die mir das Buch ans Herz gelegt hat. Es liegt da gut.

2 Gedanken zu “Rezension: ‚Léon und Louise‘ von Alex Capus

  1. bookberry 9. März 2013 / 13:45

    Danke, liebe papercuts! Was für eine wunderschöne Rezi! Mir ging es ähnlich wie Dir. Ich hatte das Gefühl bei Freunden vorbei zu schauen. Louise und ihre Art hat mir gleich gut gefallen und ich liebe die Szene, als Léon sie in der Pariser Metro wiedersieht.

    • papercuts1 9. März 2013 / 14:05

      Oh ja, auch das ist eine wundervolle Szene! Mir fallen so viele ein. Ich höre z.B. auch immer noch das Fahrrad quietschen und sehe Louise leichtfüßig an Léon vorbei radeln. :D

      Der Dank gilt dir für eine wunderschöne Buchempfehlung. Ich hab’s direkt noch mal gekauft und werde es morgen einem lieben Menschen zum Geburtstag schenken.

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