Rezension: ‚Das Haus des Todes‘ (The Laughterhouse) von Paul Cleave

Das Haus des TodesTitel: ‚Das Haus des Todes‘

(Originaltitel: ‚The Laughterhouse‘)

Autor: Paul Cleave

Sprache: Deutsch

(Originalsprache: Englisch)

Sprecher: Martin Kessler

Anbieter: Random House Audio

veröffentlicht: 2012

Länge: 12 Std 19 min (ungekürzt)

Format: Hörbuch-Download von audible.de für € 9,95 im Flexi-Abo

Eine kostenlose Hörprobe findet ihr HIER, auf der Produktseite von audible.

Inhaltsangabe (audible):

Es ist Nacht über der Metropole Christchurch, Neuseeland. Caleb Cole verlässt sein Haus, steigt in den Wagen. Er macht sich an die Arbeit – es gibt viel zu tun. Caleb fühlt sich gut – er ist frisch geduscht, kein Blut klebt mehr an seinem Körper. Nun ist es Zeit, das Werk zu vollenden. Es soll eine lange Nacht werden – mit vielen Opfern. Caleb biegt in die Straße zum alten Schlachthaus. Hier wird er seine Gäste versammeln. Behutsam fasst er an sein Messer. Das Spiel beginnt.

Zum Hörbuch:

Meine Nerven! DAS HAUS DES TODES bewegt sich auf die 6. Hörstunde zu, und ich bin ein Wrack. Paul Cleave hat sein ganzes Können an seelischer Grausamkeit ausgepackt, und ich bin zugleich gebannt und entsetzt. Überlege sogar, ob ich es mit meiner persönlichen Ethik verantworten kann, jetzt weiter zu hören. Mache einen vollen Tag Pause und höre dann doch weiter. Zum Glück, denn die Geschichte nimmt eine unerwartete Wendung.

Aber mal ein Schritt zurück.

Paul Cleave knüpft mit DAS HAUS DES TODES nahtlos an seine Vorgänger an. Ein Mörder mit einer Mission treibt im dreckigen Christchurch sein Unwesen, auf seinen Fersen vertraute, ramponierte Gestalten. Wir begegnen Kommissar Schroder wieder und – diesmal als Hauptfigur – dem völlig abgewrackten Ex-Cop Theodor Tate. Ein alter Fall (den man kennt, wenn man ‚Die Totensammler‘ gelesen hat, aber nicht kennen muss) wird plötzlich wieder wichtig und führt zu neuen Leichen.

Abermals bedient sich Cleave der Zwei-Perspektiven-Erzählung. Als Hörer erleben wir die Jagd durch die Augen des immer verzweifelteren Theo sowie aus der Sicht des mordenden Caleb, beide im Präsenz geschrieben. Dieses Muster ist bewährt und funktioniert auch wieder sehr gut. Es sorgt für Spannung, Cliffhanger, Sympathie für Theo und – besonders clever – wachsende Einsicht in die Motive Calebs.

Besonderes Letzteres zwingt den Hörer in ein moralisches Dilemma. Was Caleb da veranstaltet, ist an Grausamkeit kaum zu überbieten. Nicht nur physisch geht er furchtbar brutal vor. Noch schlimmer sind seine psychologischen Spielchen mit einem Arzt und dessen Kindern. Das ist dann auch die Stelle, wo ich mir überlege, das Hörbuch abzubrechen. Wo ich mich frage, ob ich nicht nur dem Autor sondern auch mir selbst moralische Verwerflichkeit vorwerfen muss, wenn ich das Hörbuch jetzt weiter höre. Ich meine, wo hört Entertainment auf und wo fängt Gewaltvoyeurismus an?

Stutzig macht mich, dass zu diesem Zeitpunkt das Hörbuch noch nicht mal halb rum ist. Das kann nicht der Höhepunkt sein, und auch nicht der Showdown. Mein Gefühl sagt mir, dass Cleave noch etwas vor hat. Dass die Geschichte eine Wende nehmen muss, wenn da noch mehr kommen soll als ein Blutbad. Und so atme ich nach einem Tag Hörpause tief durch, höre weiter und stelle erleichtert fest, dass ich Recht hatte: An diesem Punkt, wo es schlimmer eigentlich nicht kommen kann, gibt Cleave dem Thriller und Caleb eine neue Richtung. Anstatt die Spirale der Grausamkeit noch weiter anzudrehen, nimmt Cleave ein bisschen das Tempo raus und konzentriert sich immer mehr auf Caleb’s Tatmotive anstatt auf seinen Amoklauf. Zeitgleich gewinnt Theo’s privater Alptraum immer mehr an Bedeutung, und auch seine Figur gewinnt an Tiefe. Cleave bewegt sich eindeutig weg von purer Sensationshascherei und hin zu einem Thriller, der zum Nachdenken anregt.

Die besten Thriller sind immer die, bei denen der Bösewicht keine eindimensionale Pappfigur ist, sondern ein komplexer Charakter. Nachdem ich am Anfang Caleb so richtig verabscheuen konnte, schafft Cleave es jetzt, dass ich immer zerrissener bin: Soll ich Caleb hassen? Oder Mitleid mit ihm empfinden? Oder vielleicht sogar anfangen zu glauben, dass es hier um berechtigte Selbstjustiz geht? Zum Glück bleibt die Angelegenheit eine schwierige Sache. Immer, wenn ich glaube, meine Position Caleb gegenüber gefunden zu haben, kommt Cleave daher und haut mit dem Hammer drauf. Oder anderen Tatwaffen.

Dieser Thriller ist an Düsternis kaum zu überbieten. Ob es die abgewrackten, desillusionierten Figuren sind oder die Stadt Christchurch, mit ihrem Schmutz und dem ewigen Regen selbst schon eine Romanfigur. Lichtblicke sind Fehlanzeige, und das mag dem ein oder anderen zu viel erscheinen. Man fühlt sich an Filme wie ‚Sieben‘ erinnert. Wenn man solch finstere Settings aber mag (was ich tue), dann fühlt man sich sehr heimisch bei Paul Cleave und kann DAS HAUS DES TODES als eine Art modernen ‚film noir‘ betrachten.

Das Buch endet schließlich in einem atemlosen, dichten Wettlauf, bei dem es nicht nur für Caleb um Leben und Tod geht. Mehr möchte ich dazu nicht verraten. Das müsst ihr selber hören. Seid nur gewarnt, dass ihr nach Ablauf der letzten Minuten unter Strom stehen und Paul Cleave um eine rasche Fortsetzung seiner Christchurch-Serie anbetteln werdet.

Zum Sprecher:

Martin Kessler ist eine coole Sau. Anders kann ich das nicht bezeichnen. Er mag nicht der Beste sein, wenn es um stimmliche Akrobatik und Differenzierung geht, aber derart abgebrühte Thriller wie die von Cleave spricht Kessler, als wäre er dafür geboren. Der Zynismus von Schroder und Tate sind ein gefundenes Fressen für die deutsche Stimme von Nicholas Cage. Die eiskalte Brutalität von Caleb schüttelt Kessler aus dem Ärmel, als würde er schon zum Frühstück kleine Kinder verspeisen. Und dann schafft er es auch noch, unter dieser Coolness Verzweiflung und Angst durchscheinen zu lassen.

Hoffentlich, hoffentlich wird Kessler auch die kommenden Cleave-Thriller vertonen. Ein anderer Sprecher als er kommt für mich nicht mehr dafür in Frage.

Fazit:

Ein weiterer Cleave-Kracher aus dem Sündenpfuhl Christchurch. DAS HAUS DES TODES bietet alles, was ein fesselnder Thriller braucht: Tempo, Spannung, tolle Figuren und ein bisschen was zum ‚Knabbern‘. Brutalität ist auch im Spiel und enorme psychologische Grausamkeit. Beides ist aber hier nicht sinnentleert. Tatsächlich schafft Cleave moralische und rechtliche Grauzonen. Das regt zum Nachdenken an, ohne dass die pure Thriller-Spannung darunter leiden muss.

Gelesen wird das Ganze von ‚Mr. Cool‘ Martin Kessler, der es mit einem lässigen Schulterzucken schafft, emotionslose Kaltschnäuzigkeit, triefenden Zynismus und an die Nieren gehende Verzweiflung zu vereinen. Verdammt hart und verdammt gut.

Bewertung:

Hörbuch: 9/10

Sprecher: 10/10

Reichlich Infos zu Paul Cleave’s Büchern findet man auf seiner Website http://www.paulcleave.co.nz/ und auf Facebook unter https://www.facebook.com/PaulCleave

2 Gedanken zu “Rezension: ‚Das Haus des Todes‘ (The Laughterhouse) von Paul Cleave

  1. DieLeserin 1. März 2013 / 7:48

    „Das Haus des Todes“ liegt auch auf meinen SuB (als Printausgabe). Nachdem ich deine Rezi gelesen habe, freue ich mich umso mehr auf das Buch.

    Eine kleine Überraschung habe ich auch mitgebracht, ich hab dich nämlich für den „Best Blog Award“ nominiert, siehe hier: http://die-leserin-buchblog.blogspot.co.at/2013/03/best-blog-award.html

    Und übrigens: Das Design, das du verwendest, liebe ich!!! Es sieht so schön aus, aufgeräumt, elegant.

    Liebe Grüße, Iris

    • papercuts1 1. März 2013 / 19:56

      Ui – da werde ich ja rot! Meine Güte. Für den ‚Best Blog Award‘ nominiert? Das ist… danke schön! :-)

      Das Design habe ich erst vor kurzem gewechselt. Vorher war’s ganz clean, schwarz-weiß. Aber da Blau schon immer meine Farbe war, und ich es etwas weiblicher aber trotzdem ohne große Schnörkel wollte, habe ich zu dem hier gewechselt. Und ich versuche, meinen Blog nicht so ‚zuzumüllen‘. Passiert einem ja schnell. Vielen Dank für das Kompliment!

      Und ich hoffe, ‚Das Haus des Todes‘ findet schnell den Weg von deinem SuB in deine Hände. Noch besser (aber auch noch heftiger) von Paul Cleave fand ich übrigens ‚Der Tod in mir‘. Hast du denn schon mal irgendwas von Cleave gelesen?

      Danke dir für den Besuch, und für die gelungene Überraschung!

      Liebe Grüße,

      papercuts1

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