
Titel: Eine Frage der Chemie
Originaltitel: Lessons in Chemistry
aus dem Englischen von: Ulrike Wasel, Klaus Timmermann
Format: Hörbuch
Sprecherin: Luise Helm
Verlag: Osterwold audio
erschienen: 31.03.2022
Länge: ca. 11:19 Std.
Inhaltsangabe:
Es sind die 60er Jahre, als Elizabeth Zott in den USA mit einer TV-Kochshow berühmt wird. Aber eigentlich ist sie etwas ganz anderes als eine kochende Hausfrau: Elizabeth ist Chemikerin, doch auf ihrem Weg zu wissenschaftlichem Erfolg stellen sich der klugen, unangepassten Frau zwei Dinge in den Weg – Männer und die Gesellschaft. Und auch ihre große Liebe zu einem Nobelpreiskandidaten kann nicht verhindern, dass Elizabeth’s Weg zu Anerkennung über große Umwege ans Ziel führt.
Zum Hörbuch:
Ich bin schon mitten im Hörbuch und habe mich bereits mehrmals fürchterlich über die Macht des Patriarchats aufgeregt, als ich mal nachschaue, ob „Eine Frage der Chemie“ reine Fiktion ist oder auf Tatsachen beruht. An dem Punkt wird Elizabeth gerade aus der Uni geworfen, nachdem ihr Professor sie sexuell bedrängt und sie sich eindrucksvoll zur Wehr gesetzt hat. (Braves Mädchen!)
Es ist nur eine der vielen Szenen, in denen Elizabeth aufgrund ihres Frau-Seins in einer von Männern dominierten Welt und zu einer wahnsinnig konservativen Zeit untergebuttert wird. Sie gerät von einer diskriminierenden, exemplarischen Situation in die nächste, und mir kommt das schon fast wie ein Lehrbuch über die Unterdrückung der Frau in den 60ern vor.
Der etwas reißbrettartige Eindruck erklärt sich dann auch: Elizabeth Zott ist eine erfundene Figur. Es gab sie nicht, und ihre Geschichte ist nicht wirklich passiert. Die Autorin Bonnie Garmus hat sie erschaffen, und zwar zweifelsohne nach viel Recherchearbeit und „zusammengesetzt“ nach dem Vorbild unzähliger Frauen, die tatsächlich in ähnliche Probleme hineingerannt sind: Frauen an Universitäten, Frauen in wissenschaftlichen Berufen, alleinerziehende und unverheiratet mit einem Partner lebende Frauen.
Die komplett fiktive Natur des Romans nimmt für mich etwas den Dampf heraus und lässt das Ganze etwas konstruiert und kalkuliert wirken. Es macht die Lektüre aber auch etwas entspannter, und ich kann mich mehr auf den Unterhaltungscharakter, auf den Humor und auf die wunderbaren Charaktere konzentrieren, die Garmus erschaffen hat. Und davon gibt es ein paar.
Elizabeth selbst ist eine Figur, die mit ihrer direkten, resoluten, oft sachlichen Art und Weise nicht nur sympathisch ist. Man versteht, warum sie aneckt – auch, wenn sie meist im Recht ist. Durch und durch als Wissenschaftlerin geschrieben, wirkt ihre Sachlichkeit nicht gerade warm. Trotzdem sitzt ihr der Schalk im Nacken, und Garmus sorgt vor allem durch zwei andere Figuren dafür, dass man Elizabeth ins Herz schließt:
Calvin Evans ist der eine davon. Ein einsamer, dennoch charismatischer Chemiker, der sich tief in Elizabeth verliebt und trotz seiner eher klassischen Sichtweise in „wilder Ehe“ mit ihr zusammenlebt. Er ist ein Mensch mit mehreren Seiten: Einerseits hoch loyal, verständnisvoll und unterstützend Elizabeth’s Lebensvorstellungen und Ambitionen gegenüber, übernimmt er andererseits auch gerne mal das Kommando und bringt sie als einziger zu Dingen, an die sie sonst keinen Gedanken verschwenden würde.
Und dann ist da Halb Sieben, der Hund. Benannt nach dem Zeitpunkt, in dem er Teil der Familie wurde, wird die Fellnase das treue Herz des Romans. Teils aus seiner Sicht erzählt, sehen wir das Temperament und die besorgniserregende Forschheit der Chemikerin immer mal wieder durch eine Hundeseele, die nur eins will: Elizabeth beschützen. Der skurrile, vermenschlichte Charme, in dem Halb Sieben das Geschehen ab und zu kommentiert, trägt großen Teil am Erfolg dieses Romans.
Am Schluss hat man sich empört, hat mitgezittert, hat ein gutes Ende herbeigewünscht für alle, die am Schluss noch beteiligt sind. (Denn ja, auch Verluste gibt es zu verkraften, wie das eben so ist, auch in einem fiktiven Leben.) Da fügt sich dann alles ein, vielleicht ein bisschen zu rund, vielleicht mit zu konstruierten Zufällen und Enthüllungen – aber das ist nicht schlimm.
Unterm Strich ein nett zu lesender Roman, sprachlich, thematisch und was die Figuren angeht. Man wird an sicherer Hand durch einen sorgfältig geplanten Plot geleitet, bekommt Feminismus und etwas fürs Herz dazu serviert und ist am Ende zufrieden mit der Sache. „Eine Frage der Geschichte“ brennt sich vielleicht nicht lange ein ins Gedächtnis, ist als unterhaltende Lektüre mit gesellschaftshistorischem Kommentar aber keine vergeudete Zeit.
Zur Sprecherin:
Luise Helm ist eine der beliebtesten deutschen Sprecherinnen, und zwar zu recht. Sie kann ihre Stimme an jede weibliche Figur anpassen – hier benutzt sie einen forschen, nicht unterzukriegenden Tonfall – und bringt natürliche Lebendigkeit mit, ohne dass sie aufdrehen muss. Eine tadellose, unterhaltsame Lesung von ihr!
Bewertung:
Hörbuch:
Sprecherin:
Danke an Osterwold audio für das Rezensionsexemplar!