„Später“ von Stephen King

Titel: Später
Autor: Stephen King
aus dem Englischen übersetzt von: Bernhard Kleinschmidt
Format: Hörbuch-Download
Sprecher: David Nathan
Verlag: Random House Audio
erschienen: 15.03.2021
Länge: 07:14 Std., ungekürzt

Das Hörbuch erhaltet ihr als Download bei audible.de, und zwar HIER. Es kostet im Flexi-Abo € 9,95 (regulärer Preis € 14,95). Eine Hörprobe findet ihr auf der Produktseite von Audible.

Nanu? Nur etwas mehr als sieben Stunden? Und das ohne Kürzungen? Das ist aber ein ungewöhnlich kurzer King! So zumindest denkt jeder langjährige Stephen-King-Fan, und so denke auch ich beim Download. Aber trotz der Kürze ist es ein typischer Roman des inzwischen 73-jährigen Autors – richtig old school sogar!

In gewohnter Manier lernen wir in Ruhe den Protagonisten der Geschichte kennen, den zu Beginn neunjährigen Jamie Conklin. Der lebt mit seiner Mutter, einer Literatur-Agentin, im Manhattan der Gegenwart. Dass er eine besondere Gabe hat, erfahren wir allerdings recht zügig: Er kann Tote sehen, zumindest für eine kurze Weile nach deren Ableben. Er kann sie nicht nur sehen, sondern sich auch mit ihnen unterhalten. Und wenn er ihnen Fragen stellt, sind sie gezwungen, ihm die Wahrheit zu sagen.

Das hört sich ein bisschen nach dem Bruce-Willis-Film „The Sixth Sense“ an, und so mancher kritisiert, King habe dessen Idee für seine Geschichte geklaut. Vielleicht hat er das; vielleicht hat er das nicht. Spielt für mich keine Rolle, denn spätestens am Schluss haben sich Film und King-Roman in völlig andere Richtungen bewegt. Und es ist wahrlich nicht das erste Mal, dass King sich mit Übernatürlichem und der Existenz nach dem Tod befasst. Dass irgendwann die Geister Verstorbener eine Rolle spielen würden, finde ich nur logisch.

Jamie’s Gabe ist dann auch erstmal gar keine Horror-Zutat. Er ist schon lange daran gewöhnt, hat keine Angst vor den Toten, denen er begegnet, und meistens sehen sie auch gar nicht gruselig aus. Jamie’s Mutter weiß ebenfalls darüber Bescheid, und Mutter und Sohn sind sich lange einig, dass Jamie’s ungewöhnliche Begabung besser ein Geheimnis bleibt.

Problematisch wird es, als Jamie’s Mutter in finanzielle Schwierigkeiten gerät und auch noch ihr bester Klient, ein Bestseller-Autor, vor der Vollendung seines neuesten Buches stirbt. Dann kommt Jamie’s Gabe ins Spiel, unvorhergesehene Dinge passieren, und das Unheil nimmt seinen Lauf.

Was folgt, ist eine Mischung aus Krimi, coming-of-age und Gruselgeschichte. Nach einer sanften, eher gemütlichen ersten Hälfte wird die zweite Hälfte unheimlicher, dunkler, blutiger und auch diesmal bleibt es uns nicht erspart, dass sich eine Figur spektakulär übergeben muss (gibt es irgendein King-Buch, wo das nicht geschieht?) bis hin zu einem Schluss, der noch mit einer unerwarteten Enthüllung aufwartet.

Erzählt wird das Ganze aus Jamie’s Sicht, und das fühlt sich nach vertrautem Terrain an, welches King seit „Es“ perfekt beherrscht: Durch die Augen eines Kindes sind wir mit der typischen Mischung aus Akzeptanz für Seltsames und unverblümter Direktheit am Kampf gegen das Böse beteiligt. Wieder einmal – wie schon in „Stand by me„, in „Es“ oder vor kurzem erst in „Das Institut“ schlagen wir uns auf die Seite eines tapferen Jungen, der über sich hinaus wachsen muss. Nach diesem Prinzip hat King seine besten Horror-Romane geschrieben, und es funktioniert auch hier.

Allerdings kommt „Später“ in Sachen Intensität, Tiefe oder Emotionalität nicht an seine ähnlich gelagerten Vorgänger heran. Man fürchtet sich nicht ganz so sehr, man fühlt nicht ganz so mit, es hallt nicht ganz so nach. Ob das an der Kürze der Geschichte liegt? Hat King sich nicht genug Zeit genommen, um uns Jamie und seine Mom ans Herz wachsen zu lassen? Haben die vielen kleinen Nebengeschichten und zusätzlichen Figuren, die uns in anderen King-Büchern manchmal zu ausschweifend sind, vielleicht tatsächlich gefehlt und für weniger Hintergrund gesorgt? Ist das Böse am Ende nicht grausig, nicht böse genug? Muss es überhaupt immer so intensiv sein?

Am Sprecher, dem wie immer subtilen David Nathan, liegt es jedenfalls nicht. Er spricht „Später“ mit der gleichen Glaubwürdigkeit und derselben eisigen Reduktion, wie er das immer tut, und wer seine Art mag, wird auch hier voll abgeholt.

Fazit:

Bei mir bleibt am Ende der Eindruck, dass King diese Geschichte locker aus dem Ärmel geschüttelt hat – als hätte jemand um eine spontane Gruselgeschichte am Lagerfeuer gebeten, und das hier ist ihm „mal eben“ eingefallen. „Später“ ist gut, es ist unterhaltsam, es wird irgendwann spannend und auch angemessen schaurig, man bangt mit Jamie, und es ist alles andere als vertane Zeit. Ein Meisterwerk ist es allerdings nicht, aber das erwarte ich auch nicht jedes Mal von Stephen King. Gut finde ich in diesem Fall gut genug.

Bewertung:

Hörbuch:

Bewertung: 4 von 5.

Sprecher:

Bewertung: 5 von 5.

Ein Gedanke zu “„Später“ von Stephen King

  1. Janna | KeJasWortrausch 25. April 2021 / 16:33

    Huhu!

    Nach deinem Insta-Post musste ich natürlich auch hier vorbeischauen und mir ist es auch wurscht, ob King sich da an einem Film orientiert oder nicht. Wie viele Thriller z.B. verlaufen nach Schema F, gefühlt alles schon gelesen, immer kaputte Ermittler:innen und happy ends, wer hat da von wem geklaut? – nur mal so ;)
    Ansonsten klingt die Geschichte sehr interessant, wobei es natürlich schade ist, wenn es an Tiefe der Protas/Ereignisse fehlt. Dies hatte ich jedoch schon beim „Institut“ und bin umso gespannter, ob dieser Titel mich wieder (mehr) abholt oder gar enttäuscht.

    Hab einen muckeligen Sonntag!

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