Orientierungslos: „The Starless Sea“ von Erin Morgenstern

Titel: The Starless Sea
Autorin: Erin Morgenstern
Format: Hörbuch-Download
Sprecher: Dominic Hoffman, Dion Graham, Bahni Turpin, Fiona Hardingham, Allan Corduner, Jorjeana Marie
Verlag: Random House Audio
erschienen: 05.11.2019
Länge: 18:37 Std., ungekürzt

Das ungekürzte Hörbuch ist als Download erhältlich bei audible.de, und zwar HIER. Es kostet im Flexi-Abo € 9,95. Eine Hörprobe findet ihr ebenfalls auf der Produktseite von Audible.

Inhaltsangabe:

Gaming-Student Zachary Ezra Rawlins arbeitet gerade an seiner Promotion, als ihm ein Buch in die Hände fällt und staunt: er kommt selbst darin vor! Er tritt durch eine geheimnisvolle Tür und landet in einer Welt voller Bücher und mit einem sternenlosen Meer, in dessen Häfen neue Geschichten und Gefahren warten.

Zum Hörbuch:

Ich war nach „The Night Circus“ ja dafür gewappnet, dass es auch diesmal eher um einen schönen Schreibstil und magische Sprache als um einen stringenten Plot gehen würde. Und zunächst überrascht, als Hauptfigur Zachary in einem an „Die unendliche Geschichte“ erinnernden Twist per Tür (Narnia, hallo?) in einer phantastischen Welt landet. Klar, etwas verwirrend war es schon, dass vorher erstmal irgendwo ein Pirat in einem Gefängnis hockt und von einem Mädchen befreit werden will. Dennoch: Mit Zachary scheint ein roter Faden zu beginnen.

Verirrt im Sternenlosen Meer

Aber nein. Es folgt ein Maskenball, der schillernd und opulent und schön ist und sehr an den Nachtzirkus erinnert – verzaubernd. Von da aus stürzen wir dann allerdings mit Zachary in ein Flickwerk, das aus einer düster-verzauberten Welt besteht, in der Symbole (Schlüssel, Biene, Schwert) und Bücher-Wächter wichtige Rollen spielen, alles aber irgendwie von einer Art Verschwörung bedroht wird. Die sternenlose See ist in Gefahr (Phantasien, irgendjemand?), birgt aber auch selbst Gefahren. Was das jetzt genau mit Zachary zu tun hat? Ich habe es nicht verstanden. Was daran liegen mag, dass ich zwischendurch gedanklich abgedriftet bin, überfrachtet von zu vielen verwirrenden Details. Oder daran, dass Erin Morgenstern es nicht schafft, nachvollziehbare Logik in die Angelegenheit zu bringen.

Zu viele Geschichten in einer

Diese „Handlung“ wechselt sich ab mit fünf Geschichten, die in Fortsetzungen von jeweils anderen Hörbuchsprechern erzählt werden und vielleicht (oder vielleicht auch nicht) etwas mit der Hauptgeschichte zu tun haben. Einerseits sind diese märchenhaften Geschichten teils sehr schön („Sweet Sorrows“ war mein Favorit), und dass jede im Hörbuch eine andere Stimme bekommt, sorgt für Abwechslung. Andererseits reißen diese Unterbrechungen einen immer wieder raus aus Zachary’s ohnehin verwirrendem Handlungsfaden, und das ist ärgerlich und macht die Sache nicht leichter.

Größtenteils untergegangen: die Figuren

Die Figuren? Zachary ist an sich ein Sympat. Student, Gaming-Geek und Bücherwurm, hat er uns schnell auf seiner Seite. Dass er ganz nebenbei schwul ist, gibt Punkte auf der Diversitätsskala. Trotzdem komme ich nicht wirklich nah an ihn heran. Er scheint – wie der Leser – ziemlich hilflos von der Story hin- und hergeworfen und überwältigt zu werden und geht als Figur in der Opulenz und Überfrachtung der Erzählung unter. Sein pinkhaariger Sidekick Mirabel ist ebenfalls sympathisch, bleibt aber eine freche und toughe Amazone ohne zusätzliche Dimensionen. Sie rutscht mir nach Beendigung des Hörbuchs fast erinnerungslos aus dem Gedächtnis. Kein gutes Zeichen.
Allein Dorian, wortkarg, barfuß und mit eleganten grauen Schläfen, prägt sich mir ein. Er ist rätselhaft, bedrohlich und interessant zugleich, macht neugierig. Nicht nur mich, sondern auch Zachary, und die extrem subtile und leise Attraktion zwischen diesen beiden war für mich das Berührendste im ganzen Buch.

Zauberhaft: der Schreibstil

Wo sind also die Pluspunkte? Da, wo es zu erwarten war: Erin Morgenstern’s Sprache verzaubert, ihr märchenhafter Stil schillert, und wieder baut sie eine Welt vor uns auf, in der wir staunend gar nicht mehr wissen, wo wir zuerst hinschauen sollen. Außerdem spickt sie das Ganze mit Querverweisen auf andere Bücher und einer Verbeugung vor Bibliotheken und ihren tapferen, weisen Bücherhütern. „The Starless Sea“ ist eine Hommage ans Erzählen und Bewahren von Geschichten, an das Schreiben und Lesen, an die Imagination. Und Erin Morgenstern’s liebevoller, dekorativer Stil umarmt uns damit. Das kann sie. Das ist ihre typische Magie.

Fazit:

Unterm Strich hat Erin Morgenstern vielleicht einfach zu viel gewollt. Sie erschlägt uns mit einem märchenhaften Wirrwarr und Plotansätzen, die größtenteils im Nebel verschwinden. Verschlankt, mit mehr Konzentration auf die Charakterentwicklung, weniger Seiten-Geschichten und mit nur einem Handlungsfaden, den sie dann auch konsequent durchzieht, wäre das Ganze vielleicht magisch geworden. So aber gehen wir verloren in einer beeindruckenden Parallelwelt der Geschichten und fragen uns frustriert, was für einen Sinn das ergeben soll.

Schön, aber schade.

Bewertung:
Hörbuch: 4 von 10 Punkten
Sprecher: 8 von 10 Punkten

PS: „The Starless Sea“ erscheint unter dem Titel „Das sternenlose Meer“ am 25. Mai 2020 auf Deutsch

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