Topinambursuppe mit Sesamstick und Tony Parsons

Vor etwa zwei Wochen flatterte mir eine Einladung von Bastei Lübbe ins Haus: Zu einem Krimi-Speeddating mit vier Autoren bei einem 4-gängigen Menü wurde gebeten. Krimis und kulinarische Köstlichkeiten? Bei mir um die Ecke in Köln? Da sagte ich natürlich zu!

Als ich am 25. abends bei Bastei Lübbe vorfahre, sieht das schon durch die Glasfront der Lobby von außen sehr schick aus: Buchmenschen in Schlips und Kragen, Röcken und feinem Zwirn halten zwischen vier fein gedeckten Tafeln Sektgläser in der Hand und betreiben angeregte Konversation. Da geselle ich mich gerne dazu und finde sofort meinen – mit Namenskärtchen versehenen – Platz an einem Tisch, der Bloggern und BookTubern vorbehalten ist.


Die festlich angerichtete Lobby von Bastei Lübbe

Das Prozedere wird uns erklärt wie folgt: Auf der kleinen Bühne wird vor jedem Menü-Gang ein Autor mit seinem neuesten Werk 10 min lang präsentiert und interviewt von Margarete von Schwarzkopf. Danach dann Essen, und an jedem der vier Tische nimmt ein Autor Platz. Das ganze nach jedem Gang rotierend, so dass jeder Tisch jeden Autor mal bei sich hat. Wie sich zeigt, habe ich riesiges Glück: Mein Platz ist direkt links neben dem Autorensitzplatz (könnt ihr auf den Fotos am blauen Platzdeckchen erkennen), und ich komme im Laufe des Abends mit allen vier sehr gut ins Gespräch.


Jenny Blackhurst im Interview mit Margarete von Schwarzkopf

Den Anfang macht vorne auf der Bühne die Engländerin Jenny Blackhurst. Sie schreibt psychologische Krimis, und auch in ihrem neuesten, „Das Böse in Deinen Augen“, spielt eine Therapeutin die Hauptrolle. Jenny Blackhurst ist – wie sie später während des Hauptgangs erzählt – selbst studierte Psychologin. Und sie ist Mutter. Beide Themen fließen in ihre Bücher ein. In einem davon tötet eine Mutter ihr wenige Wochen altes Baby. Dass Blackhurst selbst ein gleich altes Baby hatte, als sie den Krimi schrieb, dazu sollen wir uns unseren eigenen Teil denken, sagt sie lachend. Sie verrät, dass sie klaustrophobische Settings in ihren Geschichten bevorzugt, und dass Orte für sie eigene Personen sind. Und gesteht, dass ihr neues Buch beim Schreiben eine selbst für sie überraschende Wendung nahm: „Die Figur, die am Ende der Täter war, sollte eigentlich gar nicht der Täter sein.“ Und das sei ihr nicht zum erstenmal so passiert.

Romy Fölck (links) sitzt neben mir!

Dann gibt es die Vorspeise, eine schick auf Algensalat drapierte Garnele im Glas. Neben mir sitzt inzwischen Romy Fölck, die ebenso aufgeregt zu sein scheint wie wir Blogger um sie rum. Ich erzähle ihr, dass ich ihren Debüt-Krimi „Totenweg“ vorhin an der letzten Kreuzung vor der Einfahrt zum Verlagsgelände zu Ende gehört habe. Wir unterhalten uns über Michael Mendl als Sprecher, über die Hauptfigur Frida, und sie verrät, dass wir die junge Polizistin sowie Kollege Haverkorn wiedersehen werden: Eine Fortsetzung ist geplant, und insgesamt sollen es wohl vier Teile werden.


Tony Parsons berichtet von seinem Schreibprozess

Die Vorspeise ist verputzt. Vorne betritt Tony Parsons die Bühne. Margarete von Schwarzkopf stellt den neu erschienenen 4. Teil der „Max Wolfe“-Serie vor: „In eisiger Nacht“ befasst sich mit dem Thema Menschenhandel. Tony Parsons erzählt, wie ihm die Idee dazu in einer Autowaschanlage in London kam, als sein Fahrzeug von Immigranten verschiedenster Herkunft geputzt wurde, während er darin saß. Er betont aber auch, dass das gesellschaftskritische Sujet nur der Aufhänger ist, um eine Geschichte zu erzählen. Das Wichtigste ist für den James Bond-Fan Parsons die spannende Story und ein Ermittler mit Herz. Unumwunden gibt er auch zu, dass Max Wolfe ein dicker aufgetragenes Alter ego seiner selbst ist. Max Wolfe’s sentimentale Beziehung zu seiner Tochter Scout entstammt Parson’s eigenen Nostalgie gegenüber seiner viel zu schnell erwachsen werden Tochter. Es ist ihm wichtig, dass seine Bücher im Hier und Jetzt spielen, im zeitgenössischen London, aber er betont, wie sehr ihm die Fiktion dabei am Herzen liegt: „The magic in books comes from imagination, not from real life.“

Als die Suppe serviert wird – Topinambur mit ein Blätterteig-Sesam-Stick – nimmt Tony Parsons neben mir Platz. Das ist ganz schön aufregend. Wechselweise unterhält er sich mit Blogger-Kollegin buchsichten rechts neben ihm und mit mir. Ich erfahre u.a. dass er bei der Namensgebung von Max Wolfe ganz klar sein deutsches Publikum im Kopf hatte, das kein Problem mit einem schwierigen englischen Namen haben sollte (Tony Parsons hat selbst sechs Jahre lang Deutsch gelernt in der Schule). Das Gespräch kommt auf Stan, den rührenden Cavalier King Charles Spaniel aus den Büchern. Tatsächlich hat Parsons selbst einen „Stan“, und er zeigt mir auf seinem Handy Fotos von der niedlichen rotbraunen Fellnase. Auf seine Frage, ob ich auch einen Hund habe, erzähle ich, dass ich irgendwann mal, wenn ich mehr zuhause bin, einen Hund und eine Katze haben will. Süß, dass er mir in der Widmung, die er mir ins Buch schreibt, dann alles Gute für mich und meinen „zukünftigen Hund“ wünscht.


Romy Fölck stellt ihr Krimi-Debüt vor

Romy Fölck ist die Dritte im Interview. Sie kommt eigentlich aus Sachsen (was man kein bisschen hört) und versteht ihre Ermittlerin Frida in „Totenweg“ als eine Art „Clarice Starling“ in Hamburg. Die düstere Atmosphäre der Elbmarsch ist ihr wichtig. „Es sifft den ganzen Tag und man versinkt im Schlamm“, fasst sie es passend zusammen. Die Idee zur Geschichte kam ihr auf einem alten Hof in Verbindung mit Fölcks Faible für „cold case“ Reportagen. Alte, nicht abgeschlossene Fälle zu lösen, darum sollen sich alle Fälle für Frida Paulsen drehen. Dass mit den Landspekulationen und den Obstbauern in der Elbmarsch auch sozialkritische Töne aufs Tablett kommen, ist für Fölck allerdings – wie schon bei Tony Parsons – nur Mittel zum Zweck, um eine spannende Story daran zu knüpfen. Die Familie als kleinste soziale Zelle – so wie in „Totenweg“ – ist ihr Gesellschaftskritik genug. „Da braucht man nicht die großen Themen.“

Sympathisch: Jenny Blackhurst

Zum Hauptgang gibt es dann entweder Fleisch oder eine Quinoa-Frikadelle. Und es gibt Jenny Blackhurst an unserem Tisch. Die ist ein wahres Energiebündel und drückt mich, weilich ihr heute schon über Twitter hallo gesagt hatte. Sie berichtet total sympathisch von ihrem neuen Leben als hauptberufliche Autorin, dass sie früher mit Job und zwei kleinen Kindern und nebenher schreiben den Tag besser gemeistert hat als heute. Es ist entspannter, aber wenn sie ihre Kinder nicht zur Schule bringen müsste, sagt sie lachend, würde sie gar nicht mehr aus ihrem Pyjama heraus kommen. Von Krimifestivals in England und von der engen, mit ihr befreundeten Bloggercommunity erzählt sie noch und fragt, warum wir Blogger eigentlich nicht alle Bücher schreiben würden? „You all read so much, and you know you can write!“ Eine super sympathische Frau.


Mirko Zilahy erläutert die Hintergründe seiner Serienkiller-Thriller

Letzter im Bunde der Interviewpartner ist der Italiener Mirko Zilahy. Gerade ist mit „Nachtjäger“ sein zweiter Krimi um Commissario Enrico Mancini erschienen. Warum der Profiler, der in einem sehr düsteren Rom bestialische Serienmorde aufklären muss, so depressiv ist, hat einen persönlichen Hintergrund: Zilahy verarbeitet in dieser Figur (erfolglos, wie er selbst zugibt) seine eigene Trauer um ein geliebtes Familienmitglied. Margarete von Schwarzkopf fragt nach dem Titel, der im Italienischen „La Forma del Buio“ (Die Form der Dunkelheit) heißt. Ich muss ihr recht geben: der ist viel schöner als „Nachtjäger“, zumal es im Buch um Skulpturen und somit tatsächlich um „Formen“ geht. Am Tisch erklärt mir später die Lektorin, dass „Nachtjäger“ genre-typischer klingt, mehr nach Thriller. Eine Marketingentscheidung also. Dass Zilahy’s Serienkiller-Bücher in Rom spielen, ist kein Zufall. Die vergangenheitsgeladene Stadt mit ihren Skulpturen und Bauwerken ist die perfekte Bühne für finstere Gewalt. „Rome has two different souls“, so Zilahy. „Behind every monument you can find something bloody.“

Der Nachtisch erscheint dann auf unseren Plätzen, und Zilahy wirbelt auf seinen Stuhl und verschlingt die feinen Schoko-Häppchen in wenigen Happen. „I needed sugar“, sagt er aufgekratzt und regt sich über sein stockendes Englisch auf. Ein sensibler und  tiefgründiger Geist, wie sich zeigt, als er vom mythologischen Hintergrund des Thrillers berichtet. Seine Faszination für Mythologie entstammt Kindheitsängsten, als seine Mutter ihm alte Sagen vorlas. Das erklärt auch gleich den italienischen Originaltitel: Im Dunkeln sieht man als Kind alle möglichen gruseligen Gestalten. „The black space we fill with our monsters“, sagt er. Dann redet er noch von seiner Faszination mit viktorianischen Autoren, von Bram Stoker und Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Er deutet an, dass der Killer in „Nachtjäger“ die Welt aus einer anderen Perspektive versteht, weil er nur diese Perspektive kennt. Er bittet mich unbedingt um Feedback, wenn ich das Buch durchgelesen habe, und ich weiß jetzt schon, dass ich „Nachtjäger“ aufgrund dieses kurzen, intensiven Gesprächs anders wahrnehmen werde.

Es geht mittlerweile auf Mitternacht zu. Alle sind satt und ein bisschen müde. Tony Parsons und Jenny Blackhurst fliegen morgen schon nach England zurück, und auch Romy Fölck und Mirko Zilahy sind auf dem Absprung. Die Lobby leert sich langsam. Ich lasse mir noch eben zwei Bücher signieren, bedanke mich bei den Blogger-Betreuerinnen von Bastei Lübbe für die Einladung und verabschiede mich von den Tischnachbarn. Heimweg.

Was für ein gelungener Abend.

Ein Gedanke zu “Topinambursuppe mit Sesamstick und Tony Parsons

  1. Mikka Liest 3. Februar 2018 / 22:04

    Huhu!

    Da werde ich ja fast ein bisschen neidisch! Was für eine tolle Idee vom Verlag! :-D

    Von Jenny Blackhurst liegt hier „Die stille Kammer“ schon länger ungelesen rum, das muss ich dringend mal ändern….

    Von Tony Parsons habe ich bisher nur den ersten Band der Wolf-Reihe gelesen und fand es nicht schlecht, aber noch habe ich die Reihe nicht weiter gelesen.

    Schön, dass „Totenweg“ jetzt doch neu erschienen ist! Ursprünglich war es ja als Taschenbuch für September angekündigt, und dann war es auf einmal irgendwie „weg“, als ich es mir kaufen wollte.

    Danke für den Bericht!

    Ich habe deinen Beitrag HIER für meine Kreuzfahrt durchs Meer der Buchblogs verlinkt.

    LG,
    Mikka

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