„Der Herr der Ringe“ in retro: Das Hörspiel von Peter Steinbach

Titel: Der Herr der Ringe – Das Hörspiel
nach J.R.R. Tolkien
Hörspielbearbeitung: Peter Steinbach
Regie: Bernd Lau
Musik: Peter Zwetkoff
Sprecher: Ersnt Schröder, Manfred Steffen, Klaus Herm, Matthias Haase, Edgar Hoppe, Rufus Beck u.v.a.
Produktion: Südwestfunk 1991/1992

erschienen in der Hörverlag als mp3-CD-Set 14.11.2016

Es war einmal…

…in den 50er Jahren, als noch niemand wusste, was ein Hobbit ist und dass Trolle bei Tagesanbruch versteinern. Heute dagegen gibt es kaum noch jemanden, der den weltberühmten, mehrbändigen Fantasy-Roman von J.R.R. Tolkien nicht kennt. Spätestens seit den Kinofilmen kennt jeder die Grundgeschichte: Hobbit Frodo Baggins aus dem Auenland begibt sich auf eine abenteuerliche Reise durch Mittelerde, um den einen Ring der Macht endgültig zu zerstören, bevor er dem bösen Sauron in die Hände fällt und alles verloren ist.

Der Fantasy-Klassiker im guten alten Stil

Optisch ist das aus 2 mp3-CD’s, einem schmalen Booklet und einer stimmungsvoll bedruckten Hülle aus Karton bestehende Set eine Augenweide. Das Heftchen bietet detaillierte Informationen zu den Sprechern. Macht sich sehr hübsch im Regal.

Der Erzähler in der Bühnenmitte

Das richtige retro-Gefühl setzt ein, als das Hörspiel beginnt. Nicht nur ist das Geschehen mit klassischer Orchestermusik untermalt, sondern vor allem Erzähler Ernst Schröder erinnert an gute alte Zeiten. Da waren Erzähler noch diese markanten Stimmentypen, die betont und nachdrücklich und animiert das Geschehen aufgreifend eigentlich der Hauptfaktor eines jeden guten Hörspiels waren. Das kommt auch daher, dass früher die Soundeffekte zwar liebevoll, aber noch nicht so hochgezüchtet waren, und die Erzähler für das Herüberbringen eines Großteils der Action verantwortlich zeichneten. Anstatt dass man hörte, was vor sich ging, wurde es einem erzählt.

Theaterstimmen mit Verwirrungsgefahr

Und so trägt Ernst Schröder in dieser Hörspielversion viele Passagen auf seinen Schultern, in die sich die verschiedenen Figuren-Sprecher einklinken. Da dass Ensemble groß ist, braucht es auch hier die kommentierende Mittlerfunktion von Schröder, um besser zu unterscheiden. Das ist leider auch nötig. Denn einige Stimmen sind sich in der Färbung ähnlich, und Verwechselungsgefahr ist gegeben. Markant heraus ragt da Rufus Beck als Pippin – eine Nebenrolle – und ich hätte mir ein paar mehr deutlich differenzierte Stimmen wie ihn gewünscht. Alle sprechen sie sonst so sauber, ohne Akzente, in ähnlichen Tenorlagen. Bei aller ausgebildeten Professionalität – da hätte ich beim Casting nach mehr Alleinstellungsmerkmalen gesucht.

Die Musik: gewagt, nicht für jedes Ohr gemacht

Auffällig anders: die Musik. Komponiert von Peter Zwetkoff, hat sie nichts mit der heranschwellend-melodischen Dramatik und wiederkehrenden Figurenthemen zu tun, die wir heute aus Kinofilmen kennen. Es gibt auch keinen catchigen Notenlauf. Diese Musik dient vor allem als hörbare Handlung: bei Gefahr kratzen Dissonanzen flirrend an den Ohren. Im Kampf toben Musikinstrumente fast schon schmerzhaft durcheinander. Geräusche werden häufig durch Paukenschläge oder ähnlichen Instrumenteneinsatz ersetzt. Natürlich kreiert das Atmosphäre. Es ist aber eine, die herausfordert und nicht jedermanns Sache ist. In ihrer Lautmalerei erinnert diese Komposition schon mal ein bisschen an die alten Musikmärchen „Peter und der Wolf“ oder „Bilder einer Ausstellung“.

Der Roman lässt in der Adaption Federn

Die Handlung des Ursprungsromans wird durchaus rübergebracht. Beim Hören kommt allerdings alles etwas zu dialoglastig vor. Da fehlen die Bilder im Kopf, die im so detailreichen Roman beim Leser entstehen. Unwillkürlich vergleicht man auch mit den opulenten Kinofilmen und ihrer großartigen, aber auch übertreibenden CGI-3D-Optik. Da ist dieses Hörspiel wesentlich reduzierter, nüchterner, unaufgeregter. Wer „Der Herr der Ringe“ schon vor dem Hype der Verfilmungen, schon vor Jahrzehnten nur durch das Lesen entdeckt hat, dem mag das Hörspiel besser goutieren. Möglicherweise.

Mein Fazit:

Ich werde vor allem mit der Musik nicht richtig warm, und die Stimmen der Figuren geraten bei mir schon mal durcheinander, so dass mich die Verwirrung aus der Handlung reißt. Gleichzeitig weiß ich die ordentlichen Theaterstimmen zu schätzen und die damals bestimmt sehr mutige Komposition. Ein solches Mammutwerk als Hörspiel zu adaptieren, verlangt an und für sich schon Respekt.
Als Ergänzung, Vergleich und ganz andere, gefühlt veralternde Vorgehensweise für ein Hörspiel zu empfehlen, ziehe ich unterm Strich die Bücher und Kinofilme allerdings vor.

Bewertung:
Hörspiel: 6 von 10 Punkten
Sprecher: 6 von 10 Punkten

Ein Rezensionsexemplar wurde mir vom Hörverlag über das Bloggerportal zur Verfügung gestellt – vielen Dank!

3 Gedanken zu “„Der Herr der Ringe“ in retro: Das Hörspiel von Peter Steinbach

  1. Sam (Buchflimmern) 19. September 2017 / 18:03

    Ich kann mich noch erinnern, dem Hörspiel als Teenie fasziniert im Radio gefolgt zu sein. Viele Jahre später habe ich es mir noch einmal angehört – nach dem Selberlesen und den Filmen – und war auch nicht mehr so überzeugt. Kennst du das Hobbit-Hörspiel? Ist aus denSiebzigern, gab es zwischenzeitlich mal auf LP zu kaufen. Auch eine eher surreale denn originalgetreue Erfahrung.

    • papercuts1 21. September 2017 / 20:37

      Hallo Sam!
      Nein, das Hobbit-Hörspiel kenne ich nicht. Aber interessant, dass du beim neuerlichen Hören eine andere Erfahrung hattest als beim „ersten Mal“. Der Lauf der Zeit stellt so einiges mit unserer Wahrnehmung und unseren Erwartungen an.
      Ich hatte allerdings in den 90ern „The Hobbit“ als englisches Hörbuch, damals noch in Form einer Kassetten-Box. Gelesen hat das Martin Shaw, Schauspieler in einer meiner allerersten Lieblingsserien. Vielleicht kannst du dich noch an die englische Krimi-Serie „Die Profis“ erinnern? Jedenfalls liebe ich diese Lesung bis heute. Eine meiner ersten Berührungen mit Hörbüchern überhaupt. Und ohne die ganzen Effekte und Geräusche eines Hörspiels wirkt das auch nicht so veraltet.

      Grüße,
      Ute

      • Sam (Buchflimmern) 1. Oktober 2017 / 19:14

        Stimmt, wobei ich alte Hörspiele total gerne mag. Vor allem aber wegen der „kernigen“ Stimmen. Die Profis habe ich nie bewusst gesehen, kenne die Serie aber vom Hörensagen. So eine Stimme beeinflusst das Hörvergnügen natürlich auch total.

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