Titel: The Girls
(der dt. Titel lautet gleich)
Autorin: Emma Cline
Sprache: Englisch
Format: Hörbuch
Sprecherin: Cady McClain
Anbieter: Random House Audio
erschienen: 14.06.2014
Länge: 09:44 Std., ungekürzt
Das Hörbuch ist als Download bei audible.de erhältlich, und zwar HIER. Es kostet im Flexi-Abo € 9,95 (regulärer Preis € 30,95). Eine Hörprobe findet ihr ebenfalls auf der Produktseite von Audible.
Zum deutschen Hörbuch von „The Girls“, gelesen von Suzanne von Borsody, geht es HIER.
Inhaltsangabe:
Northern California, during the violent end of the 1960s. At the start of summer, a lonely and thoughtful teenager, Evie Boyd, sees a group of girls in the park and is immediately caught by their freedom, their careless dress, their dangerous aura of abandon. Soon Evie is in thrall to Suzanne, a mesmerizing older girl, and is drawn into the circle of a soon-to-be infamous cult and the man who is its charismatic leader.
Zum Hörbuch:
Worum man meint, dass es geht
Eine 14jährige schließt sich in den 60er Jahren in Kalifornien einem Kult an, bis die Sache in grausamer Gewalt eskaliert. Das erinnert natürlich an die realen Vorgänge um die Manson Family. Man kann Emma Cline’s Debütroman THE GIRLS natürlich wegen der historischen Manson-Parallelen lesen. Oder weil man unbedingt wissen möchte, was für eine gewaltsame Eskalation da passiert ist, die in den ersten Seiten nur angedeutet und bis zum Schluss aufgehoben wird.
Dann läuft man allerdings Gefahr, etwas enttäuscht aus diesem ungewöhnlichen und intensiven Roman herauszugehen.
Worum es tatsächlich geht
Das eigentlich Faszinierende an THE GIRLS ist der Blick in die Gedanken- und Handlungswelt eines jugendlichen Mädchens.
Evie erzählt aus der Ich-Perspektive. Allerdings rückblickend, mit der Lebenserfahrung einer ziemlich heruntergekommenen Frau mittleren Alters, die auf die einschneidenden Ereignisse in ihrem 15. Lebensjahr zurückblickt. Dabei schafft Emma Cline es sowohl, Evie ihr eigenes jüngeres Ich analytisch kommentieren zu lassen als auch ganz dicht dran zu sein an deren damaligem Erleben. Ein gewagter, gelungener Spagat zwischen Zeitebenen und Sichtweisen, wo sich junge Naivität mit bitteren Erkenntnissen mischt.
Der Kult. Der Anführer. Nebendarsteller.
So sitzen wir im Kopf von Evie, 14, die während eines langen Sommers ihrer Faszination für ein älteres Mädchen und deren Leben verfällt. Es ist nämlich NICHT der Anführer der Sekte, Russell, in dessen Sog Evie gerät. Natürlich – Russell scheint eine mysteriöse Allmacht über die Mädchen auf der Farm auszuüben, aber sein Charisma und sein Einfluss bleiben für Evie. Randerscheinungen. Die Philosophie des Kults bleibt ebenso nebulös.
Suzanne. Suzanne. Suzanne.
Evie geht es einzig um Suzanne, einige Jahre älter als sie, herablassend-lasziv, die sich um keinerlei Regeln schert. Die Mischung aus Freiheit und Autorität, die sie ausstrahlt, wecken in Evie den Wunsch, von ihr anerkannt zu werden, dazu zu gehören. Suzanne ist der ungeregelte Gegenentwurf zu Evie’s bisherigem, normalen und braven Leben. Sie ist die verbotene Frucht, das Spiel mit dem Feuer, und gleichzeitig die große Schwester und Vorbildfigur.
Auf der Suche nach Orientierung
Es ist eine gefährliche Lebensphase, in der Evie sich befindet. Ein Alter, in dem das Kind sich auflöst und – bevor es ein erwachsenes Ich entwickelt – erstmal in einem undefinierten Vakuum driftet. Kein Mädchen mehr, noch keine Frau. Irgendwo dazwischen. Alte Regeln über Bord geworfen, noch keine neuen gefunden. Es ist ein Alter, in dem gerade Mädchen Halt und Orientierung suchen. Nicht bei den Erwachsenen. Nicht bei den Eltern. Bei anderen Jugendlichen.
Wenn, wie bei Evie, während dieser Zeit des ankerlosen Driftens dann noch die Freundschaft zur bisher besten Freundin zerbröckelt, wenn der Vater fehlt und die Mutter zu überfordert, zu desinteressiert scheint, um die Veränderungen zu bemerken – dann gerät man, wie Evie, schnell unter falschen Einfluss.
Die ganze Palette der Teenager-Gefühlsabgründe
Emma Cline schildert genau das mit schmerzhaftem Bravour. Sie schildert die Dramatik von Evie’s Innenleben genauso wie ihre schnoddrige Gleichgültigkeit. Die äußere Coolness. Die Verletztlichkeit und Verlorenheit im Kern. Die Intensität einer Mädchenfreundschaft, die oft heftiger und obsessiver sein kann als eine jugendliche Liebesbeziehung.
So ist dieser Roman auch weniger handlungsgetragen, sondern fusst auf den inneren Vorgängen der Protagonistin. Seeleneinblicke. Scharfzüngige Beobachtungen und Kategorisierungen. Hinterfragen, sich selbst, andere, immer wieder, mit der für Teenager so typischen Unsicherheit. Dahinter Evie’s erwachsene und rückblickende Deutung, ebenso subtil wie treffend und nüchtern.
Die Sprache: gleißend schön
Sprachlich gesehen, richtet Emma Cline den Leser mit unverblümten, dennoch clever und überraschend gebauten Sätzen immer mehr zu. Ihre Formulierungen sind scharf, immer wieder innovativ. Explizite, richtiggehend abstoßende sexuelle Szenen wechseln sich ab mit brennenden oder sinnlichen Passagen, die zart und fragil sein können. Eine wilde Mischung ist das, und man fragt sich fast ängstlich, was so eine Debüt-Autorin in Zukunft noch alles aus dem Ärmel zaubern wird.
Im Sog der Sprecherin
Auch Sprecherin Cady McClain tut ihr Übriges, um die soghafte Besessenheit der Geschichte zu unterstützen. Während die ältere Evie müde und gebrochen wirkt, sind die Rückblicke geprägt von der ganzen Palette jungen Empfindens: ein provokant gelangweilter Ton wechselt sich ab mit tiefer Verunsicherung, mit Sehnsucht, mit Passion. Gerade die Passagen, in denen es um Evie’s Eindrücke von Suzanne geht, wickeln den Hörer mit hypnotischer Kraft unmerklich ein.
Fazit:
Weniger ein Roman über einen blutigen Sektenmord, sondern viel, VIEL mehr ein Roman über eine 14jährige und deren innere Gründe, sich in dieses Geschehen ziehen zu lassen. Es geht um intensivste Gefühle, gerade zwischen Mädchen, um Zugehörigkeit. Natürlich auch um einen alternativen, freien Lebensstil außerhalb der elterlichen Kontrolle. Aber voll allem geht es um den Blick in eine weibliche Teenagerseele, was diese sucht und – fatalerweise – als Orientierung findet. Ein großartiger Debütroman, der tief einschlägt.
Bewertung:
Hörbuch: 10 von 10 Punkten
Sprecherin: 10 von 10 Punkten
Huhu (=
Das Cover zum Hörbuch ist ja mal genial *-* Und ich stelle es mir als Hörbuch ebenso gelungen vor, habe schon das Print geliebt!
Du hast den kern der Geschichte sehr gut eingefangen und wiedergeben. Ich bin absolute Crime-Leserin und „dennoch“ begeistert von diesem Roman, eben weil er einen anderen Blickwinkel aufzeigt. Nicht das große Böse, sondern das kleine Mädchen von Nebenan, welche plötzlich inmitten dieser Kommune ist.
Habe deine Rezension mal frech unter meiner verlinkt.
Liebe Grüße,
Janna
Hallo Janna!
Schön, dass wir „The Girls“ gleichermaßen für seine verschiedenen Aspekte zu schätzen wissen. Der Fokus auf ein einzelnes Mädchen und nicht auf „das große Böse“, wie du es nennst, ist für mich maßgeblich für die Intensität des Buches. Ein ganz bestimmter, auch verstörender Blickwinkel, der allem eine andere Färbung gibt.
Freut mich, dass du meine Rezension verlinkt hast!
Liebe Grüße,
Ute
Deine Besprechung ist zu schön, um sie nicht zu verlinken (=
Mir hat die Geschichte auch sehr gut gefallen und die Atmosphäre kommt sehr gelungen durch die Zeilen hinüber – hoffe auf mehr solcher Geschichten der Autorin!
Hab einen feinen Tag!