Rezension: „The View From The Cheap Seats“ von Neil Gaiman

The View from the Cheap Seats von Neil GaimanTitel: The View From The Cheap Seats: Selected Nonfiction
Autor: Neil Gaiman
Sprache: Englisch
Format: Hörbuch
Sprecher: Neil Gaiman
Anbieter: Harper Audio
erschienen: 31.05.2016
Länge: 15:29 Std., ungekürzt

Das Hörbuch ist als Download bei audible.de erhältlich, und zwar HIER. Es kostet im Flexi-Abo € 9,95 (regulärer Preis € 34,95). Eine Hörprobe findet ihr ebenfalls auf der Produktseite von Audible.

Inhaltsangabe:

An enthralling collection of nonfiction pieces on myriad topics – from art and artists to dreams, myths, and memories to comics, films, and literature – observed in award-winning number-one New York Times best-selling Neil Gaiman’s probing, amusing, and distinctive style.

“It is the job of the creator to explode. It is the task of the academic to walk around the bomb site, gathering up the shrapnel, to figure out what kind of an explosion it was, who was killed, how much damage it was meant to do and how close it came to actually achieving that.”

― Neil Gaiman, The View from the Cheap Seats: Selected Nonfiction

Zum Hörbuch

Ihr könnt gleich mal vergessen, dass ich bei THE VIEW FROM THE CHEAP SEATS objektiv bleibe. Neil Gaiman ist mein Lieblingsschriftsteller. Was er schreibt, betrachte ich durch eine literarisch verliebte Brille. Der Mann weiß zwar nicht, wie man sich die Haare kämmt, aber so ziemlich alles andere im Leben hat er drauf. Vor allem Schreiben und Erzählen.

Aus Neil’s Nähkästchen

THE VIEW FROM THE CHEAP SEATS ist so etwas wie eine Plauderstunde mit Neil Gaiman. Das als „Sachbuch“ eingestufte Werk… nein… benutzen wir lieber den viel passenderen englischen Begriff „nonfiction“ (Neil redet über vieles, aber wenig davon sind Sachen) besteht vor allem aus Vorwörtern. Vorwörter Neil’s zu Büchern, Graphic Novels, Comics und Anthologien anderer Autoren, die – in Form ihrer Werke oder auch höchstpersönlich – durch Neil Gaiman’s Leben gestreift sind und Eindruck hinterlassen haben.

Neil und viiieeele andere Autoren

Einige dieser Autoren kenne ich, andere nur vom Hörensagen, viele gar nicht. Jetzt könnte man meinen, dass im letzten Fall das Zuhören langweilig sein könnte. Ich kann euch beruhigen: Langeweile ist selten der Fall. Es gibt ein paar Redundanzien, ein paar Ähnlichkeiten bei den Lobeshymnen, aber jede hat etwas zu bieten – erstaunliche Charakterbeschreibungen, humorvolle Anekdoten, Einblick in Schaffensprozesse, kleine und große Sätze über das Autorenleben, die immer wieder auch etwas über Neil selbst aussagen. Und ist doch mal ein Text dabei, der einen nicht abholen kann, so sind die „Kapitel“ doch so kurz, dass direkt dahinter wieder ein interessantes lauert.

Neil, der Comicschreiber

Ein besonderer Schwerpunkt der Sammlung liegt auf Neil’s Comicschreiber-Erfahrungen mit Kollegen. Comics sind nicht so meins, aber gerade diese Passagen bieten viele Einsichten in die Art und Weise, wie ein Werk entsteht, wie Kooperation funktioniert, und was Neil’s Herangehensweise an den kreativen Prozess ist. Für Fans von SANDMAN und Co. bestimmt noch spannender als für mich.

Mit Neil in Afghanistan

Außer Vorwörtern sind auch ein paar Artikel dabei, die Ex-Journalist Neil Gaiman für Zeitungen verfasst hat. Ein besonders berührender betrifft seine Reise nach Jordanien, in syrische Flüchtlingscamps des UNHCR. Aus Neil’s Worten klingt seine Betroffenheit wieder, aber auch seine Demut und sein Respekt vor anderen Menschen. Warnung: Es wird euch das Herz brechen, und das ist gut so.

Neil Gaiman im UNHCR Flüchtlingscamp in Jordanien

Make good art

Natürlich ist auch Neil’s berühmt gewordene Rede „Make good art“ dabei, die er mal für den Abschlussjahrgang eines Colleges gehalten hat, und die viral explodiert ist. Immer noch eine Hymne für jeden Kreativen, aus der man pausenlos zitieren könnte.

„Make good art“ – Rede von Neil Gaiman

Meine Highlights

Mich persönlich haben neben den Kapiteln über Ray Bradbury, Terry Pratchett und die Lager in Afghanistan am meisten Neil’s Worte über seine Erlebnisse mit Amanda Palmer, über Anthony Martignetti und über Büchereien begeistert. Wer’s nicht weiß: Amanda Palmer ist eine Künstlerin, Musikerin und rundum erstaunliche Frau, mit der Neil Gaiman inzwischen verheiratet ist, und die letztes Jahr den gemeinsamen Sohn Anthony zur Welt brachte. Neil’s Beschreibungen ihrer extrovertierten, alles gebenden Auftritte sind großartig.

Das Vorwort zum Buch von Amanda’s verstorbenem Mentor Anthony Martignetti (ja, nach ihm wurde das Gaiman-Baby benannt) hat mich völlig fertig gemacht. Ich habe schluchzend in der Küche gestanden, Leute. Kaum einer schreibt über Leben und Tod, über Schmerz und Heilung so wie Neil Gaiman.

“We win some, but we lose many. We lose a lot. We lose our friends and we lose our family. In the end we lose everything. No matter who’s with us, we always die alone. When you fight your battles, whatever battles you fight, it’s always going to be about life.”

― Neil Gaiman, The View from the Cheap Seats: Selected Nonfiction

Und wenn man liest, dass Neil zu einem nicht unerheblichen Anteil offenbar in Büchereien vom fachkundigen Personal großgezogen wurde, möchte man sofort losgehen und den nächsten Bibliothekar umarmen.

Zum Sprecher:

Neil liest selbst. Dass er das kann, wissen wir. Er ist ein begnadeter Live-Redner mit perfekten Pausen, schöner Diktion, und er schafft es irgendwie, mit seiner Performance eine große Nähe herzustellen. Als würde man neben ihm in einem Pub bei einem Pint Ale an der Theke stehen und zuhören. NIEMAND sollte Neil Gaiman Bücher einlesen außer er selbst. Da gibt’s doch schon ein Gesetz zu, oder?

Fazit:

Wer Neil Gaiman liebt, für den ist THE VIEW FROM THE CHEAP SEATS ein weiterer Einblick in das künstlerische Schaffen, in die Horizonte und magische Eloquenz eines wundervollen Schriftstellers und interessanten Menschen. Und auch wenn das ein oder andere Kapitel einen mal nicht so betrifft oder packt – am Ende kommt man mit einer ganzen Liste von Autoren heraus, die man jetzt entdecken möchte, mit Dutzenden neuer Zitate für die persönlich Sammlung und mindestens ebenso viel Begeisterung für Neil wie vorher.

Wer Neil Gaiman noch nicht kennt: Bitte in den nächsten Buchladen gehen und ein Buch von ihm kaufen. Ich empfehle DER OZEAN AM ENDE DER STRASSE oder NEVERWHERE oder jede seiner Kurzgeschichtensammlungen. Danach treffen wir uns wieder hier. Worauf wartest du noch? Lauf los!

Bewertung: 9 von 10 Punkten

PS: Gerade ist der erste Trailer für die TV-Verfilmung von AMERICAN GODS aufgetaucht. Was lange währt wird offensichtlich großartig:

Trailer „American Gods“

5 Gedanken zu “Rezension: „The View From The Cheap Seats“ von Neil Gaiman

  1. Darklittle 5. August 2016 / 19:09

    Du würdest einem Neil Gaiman Neuling echt The Ocean at the End of the Lane empfehlen? Ich fand das sehr schwer verdaulich. Ich greif da immer auf das Graveyard Book zurück :)

    • papercuts1 6. August 2016 / 13:43

      Hallo Darklittle,

      ich bin mit dieser Empfehlung bisher gut gefahren: Sowohl mein Mann als auch zwei Freundinnen haben damit Neil Gaiman erfolgreich kennengelernt. Ich finde, „Ocean“ steht mit einem Bein sehr gut in der Wirklichkeit, und viele Erwachsene sehen ihre eigenen Kindheitsgedanken darin wieder.
      Natürlich ist The Graveyard Book eins der „einfachsten“ Bücher von Gaiman – aber es ist ein Kinderbuch, und auch wenn ich es durchaus Erwachsenen empfehle und selbst liebe, wäre das z.B. für meinen Mann ein Ablehnungsgrund gewesen.
      Aber so macht eben jeder seine Erfahrungen. Ich habe auch schon oft gehört, man sollte bei Gaiman mit „American Gods“ anfangen. Das kann ICH mir nun gar nicht vorstellen, weil ich damit nicht gut klar kam.
      Hast du „The View From The Cheap Seats“ denn schon gelesen?

      Gruß,
      Ute

      • Darklittle 8. August 2016 / 12:13

        Stimmt, für so manchen Mann ist es vielleicht nichts :)
        The View from the Cheap Seats hab ich noch nicht gelesen, nein. Das ist, wenns nicht schon früher hier auftaucht, wohl ein Weihnachtsgeschenk bei uns im Haus ;)

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