‚Anna Karenina‘ – Teil 5: Eine Hochzeit und ein Todesfall

Anna Kaernina dtvZusammen mit der lieben @Liedie40 lese ich Anna Karenina von Leo Tolstoi. Näheres dazu erfahrt ihr HIER. Verfolgen könnt ihr unser Vorankommen auf Twitter unter dem hashtag #TeamTolstoi. Außerdem ziehe ich nach jedem der 8 Teile, in die der Roman sich splittet, eine kurze Bilanz. 

Teil 5: Eine Hochzeit und ein Todesfall

Kitty und Lewins Hochzeit steht vor der Tür. Zuvor bringt der eigentlich nicht gläubige Lewin noch die erforderliche Beichte hinter sich. Nach einem kurzen Anfall von ‚kalten Füßen‘, und nachdem das fehlende Hemd für die Hochzeit doch noch auftaucht, findet erst die Verlobungs- und direkt im Anschluß die Trauungszeremonie statt. Danach brechen die Frischvermählten auf zu Lewins Landgut.

Wronski und Anna verweilen nach dreimonatiger Europareise in einer kleinen Stadt in Italien. Sie treffen dort einen alten Kameraden Wronskis, der sie mit einem Maler in Kontakt bringt. Er fertigt ein Portrait von Anna an. Wronski hat inzwischen selbst mit dem Malen begonnen, jedoch mit mäßigem Talent.

Lewin und Kitty sind nach drei Monaten Ehe im Alltag angekommen und haben erste Streitigkeiten überwunden. Sie erhalten Nachricht, dass Lewins Bruder Nikolai in einem Gasthof auf dem Weg nach Moskau im Sterben liegt. Gegen Lewins Willen besteht Kitty darauf, mit ihrem Mann dorthin zu fahren. Sie erweist sich als große Stütze für Lewin und pflegt Nikolai, bis dieser nach Tagen stirbt. Der anwesende Arzt stellt noch etwas fest: Kitty ist schwanger.

Annas Mann Alexej Alexandrowitsch wird indes von Gräfin Lidija Iwanowa umgarnt. Sie zieht bei ihm ein, um den Haushalt zu führen und sich um den kleinen Serjoscha zu kümmern. Ihm erklärt sie, seine Mutter Anna sei tot.

Anna kehrt nach Moskau zurück, von Sehnsucht nach ihrem Sohn getrieben. Sie bittet Gräfin Lidija in einem Brief, Serjoscha an dessen 9. Geburtstag sehen zu dürfen. Die Gräfin überredet Alexej Alexandrowitsch, ihr diese Bitte abzuschlagen. Trotzdem verschafft Anna sich am Geburtstag Zutritt ins Haus, und es kommt zu einem rührenden Wiedersehen zwischen Mutter und Sohn, bevor Anna fluchtartig das Haus wieder verlässt.

In Moskau kühlt das Verhältnis zwischen Wronski und Anna ab. Jetzt, wo keine Scheidung von Alexandrowitsch in Sicht ist, wird das Zusammenleben der beiden von der Gesellschaft verachtet, und man geht Anna aus dem Weg. Als sich Anna gegen Wronskis Einwände zu einer Opernaufführung wagt, kommt es dort zu einem Eklat.

Meine Eindrücke:

  • just married

Das rührende Herzstück dieses Teils ist die Hochzeit von Lewin und Kitty. Lewin ist völlig im Rausch, und beide sind bei der langen Zeremonie so geistesabwesend und voneinander entzückt, dass sie kaum mitbekommen, was vor sich geht. Sie verpassen fast ihren Einsatz, bringen die Ringe durcheinander, und das ist alles einfach sehr süß anzusehen. Zumal vorher die Suche nach Lewins Hochzeitshemd noch fast komödiantische Ausmaße angenommen hatte. Soviel Leichtherzigkeit tut gut und macht Freude beim Lesen.

Selbst wenn Lewin bald danach auf dem Boden der Tatsachen ankommt. Wie das so ist – lebt man dann erstmal zusammen und ist der Rausch abgeklungen, fallen einem am anderen erst die Dinge auf, die nerven, und Seiten, die man nicht mag. So geht das Lewin und Kitty auch, aber sie raufen sich zusammen. Vor allem beweist Kitty dem ziemlich auf dem falschen Dampfer sitzenden Lewin, was er an ihr hat, als sie Nikolai kompetent und mit Herz pflegt. Hier lässt Tolstoi eine Frauenfigur ihren Mann stehen und ihn eines Besseren belehren, und das muss man im 19. Jahrhundert ja auch erst mal machen!

  • Nikolai stirbt

…und zwar elendig, und lange. Es sind quälende Szenen, die nicht einfach zu lesen sind. Tuberkulose war eine Geissel damals, und Tolstoi demonstriert, wie gräßlich das Ende ausfällt. Man betet geradezu mit Lewin und den anderen darum, dass der arme Kerl endlich stirbt. Stattdessen schwankt er tagelang zwischen Nahtod-Delirium und plötzlicher, fälschlicher Hoffnung auf Genesung. Warum Tolstoi dieses Sterben so in die Länge zieht, vermag ich nicht zu sagen. Kitty kann sich hier beweisen, natürlich. Und auch Nikolai und Lewin finden ihren Frieden miteinander. Aber es dauert wirklich und ist nicht schön anzusehen. Merkmal des damaligen Realismus in der Literatur vielleicht?

  • Gräfin Lidija Iwanowa

Ich möchte dieser scheinheiligen, berechnenden Kuh (Entschuldigung…!) am liebsten die Augen auskratzen und hoffe, dass es der @Liedie40 ähnlich geht.

  • Es ist ein Skandal

Komisch: Erst schien keiner etwas gegen die Liebschaft zwischen Anna und Wronski zu haben, ja, sie sogar zu fördern. Und jetzt wird Anna gemieden, in ihrem Beisein druckst man verschämt herum, und sie ist ein wandelnder Skandal. Es scheint so zu sein: Solange es nur eine kurze Affäre war, oder aber wenn Alexej und Anna sich hätten scheiden lassen, wäre es akkzeptabel gewesen. Nun jedoch ist Anna weiterhin verheiratet, lebt aber mit ihrem Liebhaber in eheähnlicher Gemeinschaft für alle sichtbar zusammen. Skandal, Skandal!

Sowohl Anna als auch Wronski haben damit zu kämpfen, auf unterschiedliche Weise. Anna rebelliert: Sie besucht ihr Kind, geht ins Theater und riskiert einen Affront nacht dem anderen. Wronski scheint es zunehmend peinlich zu sein, und seine Liebe zu Anna leidet unter ihrer Rebellion. Mal sehen, ob und wie lange die zwei es in Moskau noch zusammen aushalten.

Hier fällt mir auch eine Parallele auf: Sowohl  Lewin und Kitty als auch Wronski und Anna müssen sich nach dem ersten Liebes-Hoch nun zusammenraufen. Während Ersteren das (natürlich gesellschaftlich akzeptiert) zu gelingen scheint, geraten Letztere  unter dem Hohn der Gesellschaft in immer schwierigeres Fahrwasser.

Liebe ist eben doch nicht alles. Oder?

Auf zu Teil 6!

 

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