Rezension: ‚Mannheim Rex‘ von Robert Pobi

MannheimRexTitel: ‚Mannheim Rex‘

(bisher nicht auf Deutsch erschienen)

Autor: Robert Pobi

Sprache: Amerikanisch

Format: eBook, Kindle Edition

Verlag: Thomas & Mercer

Seitenanzahl der Printausgabe: 513 Seiten

Beschreibung:

Nach dem Tod seiner Frau steckt der erfolgreiche Horror-Autor Gavin Corlie in einer tiefen Krise. Aus New York flüchtet er sich in die Kleinstadt New Mannheim, in ein altes, renovierungsbedürftiges Haus am Lake Caldesac. Dort stößt er nicht nur auf einen kecken, todkranken Jungen, der ihm zum Freund wird, sondern auch auf ein ungelöstet Geheimnis: Immer wieder verschwinden Menschen in New Mannheim, und grausig verstümmelte Leichen tauchen auf. Alle Spuren führen zum Lake Caldesac. Haust dort etwa ein Monster, wie Gavin’s neuer Freund Finn behauptet? Welche Rolle spielt der bösartige Sheriff in dem Spiel?

Mit Hilfe von Finn, einem Fischerboot und Finn’s netter, attraktiver Ärztin macht Gavin sich auf die Suche nach der Wahrheit.

Zum Buch:

MANNHEIM REX hätte ich nie gelesen, wäre ich nicht so beeindruckt von Robert Pobi’s Vorgänger gewesen, dem bösen Thriller BLOODMAN. Dass der Mann schreiben kann, wusste ich also, und das zeigt er auch in diesem Buch, das ich fast als ‚Liebhaberei‘ bezeichnen möchte. Pobi ist nach seinem Bestseller-Erfolg offensichtlich hingegangen und hat sich eine spielerische Verneigung vor zweien seiner literarischen und cineastischen Helden gegönnt, ohne dabei auf Verkaufszahlen zu schielen: MANNHEIM REX ist nichts anderes als eine kleine Hommage an Spielberg’s DER WEISSE HAI und Melville’s MOBY DICK. (Und das habe ich mir nicht ausgedacht, das kann man so in den Buchbeschreibungen nachlesen).

Das ist mir noch nicht bekannt, als ich die Leseprobe von MANNHEIM REX mit einer Mischung aus Ekel und Gebanntsein verschlinge: Ein Fischer kommt auf dem Lake Caldesac auf grausame Weise und häppchenweise zu Tode. Die Parallele zum WEISSEN HAI springt gleich ins Auge und ist – wie sich dann herausstellt – absolut gewollt. Was diese Anfangsszene besonders gruselig macht, ist, dass aus der Perspektive des Fischers selbst dessen langsamer Tod beschrieben wird. Das ist völlig distanzlos, unmittelbar und geht furchtbar an die Nieren. Pobi kann das, wie ich ja weiß, und nach diesem ersten Kapitel zögere ich kurz: Will ich mir sowas nochmal antun? Will ich, wie bei BLOODMAN zuvor, zitternd in dieser Geschichte sitzen und mich kaum noch herausretten können?

Lange dauert das Zögern nicht. Dafür schreibt Pobi einfach zu gut, zu cineastisch. Überhaupt: Man könnte auch dieses Buch einfach so verfilmen und als Drehbuch benutzen. Trotz vieler Dialoge ist es ungeheuer plastisch verfasst. Ohne große Metaphorik tauchen – zack! – Bilder auf der Kopfleinwand auf. Das geht wie geschmiert.

Dabei ist MANNHEIM REX simpler geschrieben als BLOODMAN. Nicht so düster literarisch. Ich habe irgendwo gehört, das hier sei wie ein ‚creature feature‘ in Papierform – so ein unterhaltsames B-Movie über ein mutiertes Monster, ohne großen Anspruch, aber bestens geeignet für einen netten Abend.

Das stimmt auch weitestgehend. Die Story ist leicht haarsträubend (ein Seemonster? mal ehrlich?), die Todesfälle entstammen einem Kanon an bewährten Horror-Szenarien, und man fiebert ohne Federlesens mit der Riege an liebenswerten Hauptfiguren mit. Die sind es nämlich auch, die MANNHEIM REX tragen: Da ist der depressive, zu Beginn regelrecht düstere Gavin Corlie, der in einer anderen Geschichte locker das Zeug zu einem komplexen Helden gehabt hätte. Zu ihm gesellt sich der kranke Finn mit der charmanten großen Klappe, der einem nur manchmal anfängt, doch ein bisschen auf den Geist zu gehen. Die Dritte im Bunde ist Finn’s nette und attraktive Ärztin. Man muss kein Hellseher sein, um die Liebesgeschichte zwischen ihr und Gavin vorauszusehen. Aber Pobi würzt diese aufkeimende Beziehung durch eine ungewöhnliche Alterskonstellation: Sie ist Ende vierzig, er Anfang dreißig, und das wird auch ansprechend (wenngleich nicht abschließend) thematisiert.

Oh, und dann haben wir da noch Sheriff Xavier Pope. Gegen ihn wirkt das Monster im See fast harmlos. Der ständig zugekokste Sheriff ist schon von allen guten Geistern verlassen: In seinem umnebelten Hirn spielen Kakerlaken zum Tanz auf, und was er so alles auf dem Kerbholz hat, lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Pobi schreibt seine Passagen mit scharfer Gossensprache und stilisiert ihn fast schon zu einer Karrikatur. Das ist beinahe zu heftig aufgetragen, andererseits ein guter Gegenpol zu den Szenen zwischen Gavin und Finn.

Denn mal ehrlich: Pobi gießt ein bisschen viel Zuckerguß auf die Freundschaft zwischen dem krebskranken, im Rollstuhl sitzenden Jungen und dem lebensmüden Schriftsteller. Finn’s Figur macht Spaß und bringt Wärme und Gefühl in die Geschichte. Manchmal allerdings geht Finn’s altkluges Geplapper einem schon auf den Geist. Und die endlosen Ausfahrten mit seinem Boot samt ausführlicher Details über das Sportfischen sind eine Geduldsprobe.

Es lohnt sich aber durchzuhalten. Pobi kann unglaublich spannend schreiben. Selten sehe ich so lebendige, filmreife Bilder vor meinem inneren Auge wie bei ihm. Auch wenn der Mittelteil sich zieht – das Finale lässt keine Wünsche offen in Sachen Tempo und Dramatik. Und am Ende gibt es noch einen Twist, mit dem man wirklich nicht rechnet. Bis heute bin ich mir allerdings nicht sicher, ob man das allerletzte Kapitel nicht besser weglassen sollte. Es hat was, dreht das Buch aber in eine Richtung, die vorher die ganze Zeit vermieden worden ist. Merkwürdig.

Fazit:

Eine kleine literarische Verbeugung vor DER WEISSE HAI und MOBY DICK. Ein mutiger kranker Junge und ein suizidgefährdeter Schriftsteller machen sich auf die Jagd nach einem Seemonster. Es gibt Horror, es gibt Gefühlsduselei, eine Liebesgeschichte, Tränen und ein zweites Monster, das so gar nichts mit der Tierwelt zu tun hat. Außerdem gibt es eine ausführliche Lehrstunde über die Kunst des Sportfischens und am Ende einen Showdown, der ins Kino gehört.

Alles in allem ein ‚creature feature‘ in Buchform, das Pobi durch seine gekonnte Schreibe und teils komplexere Figuren als notwendig deutlich über Trash-Format hinaushebt.

Schlicht und ergreifend unterhaltsam zu lesen. Am besten isst man zu diesem Buch Popcorn.

Bewertung: 7 von 10 Punkten

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