Titel: ‚Bloodman‚
(erscheint im November 2012 unter demselben Titel auf deutsch)
Autor: Robert Pobi
Sprache: Amerikanisch
Sprecher: Luke Daniels
Format: Hörbuch-Download von audible.de für € 9,95 im Flexi-Abo (Normalpreis € 12,95)
Länge: 11 Std 26 min (ungekürzt)
‚The kitchen looked like hell had crawled out of the wall and emptied onto the floor.‘
—Bloodman, Robert Pobi
Inhaltsangabe (von amazon.de):
Niemand würde Jake Cole trauen. Das Leben auf der Straße hat ihn hart gemacht. Trotzdem ist er einer der besten Sonderermittler des FBI. Keiner versteht Tatorte so gut wie der Mann mit den vielen Tattoos. Doch dann tauchen die brutal zugerichteten Leichen einer jungen Frau und ihres Sohnes auf. Für Jake gibt es keinen Zweifel: Der Mörder seiner Mutter ist zurück. Die Jagd nach ihm treibt Jake an den Rand des Wahnsinns. Er verfolgt, jagt und hetzt ihn, schlaflos und vom Adrenalin getrieben. Doch der Bloodman kennt ihn gut. Besser als Jake sich selbst.
Zum Hörbuch:
Es ist eine Weile her, dass mich ein Hörbuch so mitgenommen hat wie dieses hier. Die letzten Minuten fand ich mich wie fest gefroren in der Küche, mit weichen Knien, und was immer ich auch gerade dort tun wollte, war völlig in Vergessenheit geraten. Ich wusste nicht, ob ich mich übergeben oder begeistert in die Hände klatschen sollte. Und erst recht wusste ich nicht, ob ich BLOODMAN weiter empfehlen oder davor warnen sollte.
Inzwischen habe ich mich entschieden. Aber immer der Reihe nach:
Wenn ein Thriller mit unheilvollen Zitaten von Emily Dickinson und Dante Alighieri anfängt, lässt mich das schon mal aufhorchen. Umso mehr, wenn es danach mit der mystriös-poetischen Beschreibung dessen weitergeht, was nach einem Sturm im Meer herumtreibt. Diesen Beschreibungen wohnt direkt eine dunkle, groteske Attraktivität inne. Was Pobi da beschreibt, wirkt wie ein Gemälde, das den Betrachter gleichzeitig abstößt und magisch anzieht. Und genauso wird es bleiben.
Auch als die Geschichte dann beginnt und wir Jake Cole kennen lernen, bleibt es bei einem Gefühl ständigen Unheils. Mit ihm erkunden wir das völlig zugemüllte und von Paranoia zeugende Haus seines Vaters, des berühmten Malers Jacob Coleridge. Pobi ergeht sich in Beschreibungen, die voller düsterer Metaphorik sind und gleichzeitig wie Faustschläge in den Magen. Ein solcher Stil ist mir noch nie unter gekommen, und ich musste mich daran erst gewöhnen, hatte ich doch einen Thriller mit hartem, schnellem Beginn erwartet. Und dann bekomme ich stattdessen ein mysteriöses, Angst einflößendes Gemälde vorgesetzt, das mich mit seinem dunklen Sog sowohl irritiert als vereinnahmt.
So ist etwas Geduld und ‚Sich-Einlassen‘ gefragt, bis man drin ist, in BLOODMAN. Aber, oh, es lohnt sich! Je weiter das Buch fortschritt, umso mehr verliebte ich mich in die Sprachgewalt und Atmosphäre dieses Thrillers. Und in die Hauptfigur! Jake Cole, Ex-Süchtiger mit Defibrillator in der Brust und Dante’s Inferno als Ganzkörper-Tattoo auf seinem Körper, ist schon eine eindrucksvolle Gestalt. Luke Daniels versieht ihn mit der passenden Stimme: ein heiseres, schweres Flüstern, das äußerst bedrohlich aufflackert, wenn man ihm quer kommt.
An seine Seite stellt Pobi nicht nur dessen Vater, einen exzentrischen, feindseligen Künstler, der sich in einem Anfall von Demenz selbst die Hände abgefackelt hat. Da ist auch noch Jake’s Frau Kay, eine Cellistin mit Irokesen-Haarschnitt und außergewöhnlichen sexuellen Vorlieben. Und Jeremy, Jake’s Sohn, den er zärtlich ‚Moriarty‘ nennt. Weitere einprägsame Nebenfiguren komplettieren das Ensemble, das gerade so einen Fuß im ‚Normalen‘ behält.
Aber auch nur gerade so. An jeder Ecke tun sich Abgründe auf. In erster Linie natürlich, was den grausigen Mordfall angeht, zu dem Jake als Spezialermittler für das FBI hinzugezogen wird. Sein außergewöhliches Gedächtnis und seine Fähigkeit, die Morde dreidimensional in seinem Kopf zu rekonstruieren, sollen helfen, einen besonders kranken Killer zu finden: Er hat eine Frau und ihr Kind bei lebendigem Leibe gehäutet.
Und da kommen wir zu dem Punkt, wo ich das erste Mal absolut schockiert war. Pobi’s Beschreibungen der Mordopfer und der Tat, wie Jake sie rekonstruiert, lassen einem die Haare zu Berge stehen und drehen einem den Magen um. Sehr plastisch und schonungslos sind diese Bilder, und trotzdem kein bisschen plakativ. Viele Thriller schwelgen heutzutage geradezu in immer übertriebeneren Mordszenarien und Folterbeschreibungen, so dass man sie schon kaum noch ernst nehmen kann. Selbstverliebt schwören Autoren Ekel und morbide Faszination herauf, dass es einen manchmal anwidert.
Pobi gelingt es stattdessen, ohne narzisstisches Gewese dem Leser/Hörer ein schlichtes und umso schockierenderes Alptraum-Szenario zu vermitteln. Es ist wie ein grotesker Verkehrsunfall, bei dem man tatsächlich den Kopf wegdreht, aber erst, nachdem sich der Horror schon längst unauslöschlich ins Hirn gebrannt hat. Und so grauenvoll die Bilder auch sind, die Pobi heraufbeschwört, so klasse sind sie doch gemacht und fügen sich nahtlos ein in eine immer finsterere Atmosphäre, in der einem bald die Luft zum Atmen fehlt.
Tja, und bei solch grausigen Szenen muss sich natürlich jeder Leser fragen: Will ich das wirklich hören? Will ich mir so etwas abgrundtief Böses und Perverses antun?
Neben der Faszination des Bösen war es in meinem Fall der außergewöhnliche Schreibstil, der mich bei der Stange hielt. Pobi jongliert mit grotesker Poetik, wie ich sie bisher nicht erlebt habe. Dem entgegen setzt er immer wieder sehr profane und ordinäre Passagen. Mit aller Macht scheint er dem Leser/Hörer das Antlitz der Hölle einprägen zu wollen. Und die Hölle öffnet sich in diesem Thriller, so viel sei verraten.
In gleichem Maße, wie der Hurricane näher rückt, zieht sich auch die Schlinge um den Killer und Jake immer enger. Gerade in der zweiten Hälfte zieht die Geschichte Schritt für Schritt immer mehr an, parallel zum aufbrausenden Sturm. Andauernd schüttelt man sich vor Gänsehaut, ahnt Grauenvolles, und wenn man glaubt, den Killer identifiziert zu haben, gibt es ein paar Wendungen, die einen aus den Schuhen hauen. Das Ende ist dann der helle Wahnsinn. Ich brauchte jedenfalls erstmal einen Stuhl, um mich zu setzen.
Fazit:
BLOODMAN ist nur etwas für Hartgesottene. Warmduscher können lieber Rosamunde Pilcher lesen, und selbst die neuen deutschen Lieblinge Kliesch und Fitzek können gegenüber Pobi einpacken.
Sprachlich ist der Thriller außergewöhnlich. Die düstere Poetik erinnert entfernt an ‚gothic novels‘, aber es gibt auch profane Momente – ein exzentrischer und grotesker Stil. Angelehnt an eine der Figuren des Buches, den Maler Jacob Coleridge, zeichnet Pobi detailreich und kunstvoll Bilder des Grauens. Obwohl gerade zum Ende hin der Thriller mehr Action-Elemente bekommt, ist er doch deutlich dem Sub-Genre ‚Psychothriller‘ zu zu ordnen und steht mit einem Bein sogar schon im ‚Horror‘-Regal. Was sich in den Köpfen der finsteren Figuren abspielt, ist mindestens ebenso wichtig wie die grauenvollen Morde, die geschehen.
Wie klug und perfekt konstruiert die Handlung ist, wird einem erst am Ende des Buches richtig klar. Wenn man die Schockmomente und Wendungen erstmal verdaut hat, kann man über das äußerst intelligente Puzzle nachdenken, das Pobi seiner Hauptfigur (und dem Leser) vor die Füße legt.
Wenn man etwas kritisieren will, dann natürlich am ehesten die furchtbaren, kranken Morde in der Geschichte. Allerdings sind diese weitaus weniger plakativ (wenn auch umso wirkungsvoller) dargestellt als in so manch anderen modernen Thrillern. Es ist eben immer eine persönliche Entscheidung, ob man für die Faszination des Bösen etwas übrig hat. In diesem Buch kann man sie jedenfalls voll ausleben.
In Verbindung mit dem hervorragenden Sprecher kann ich BLOODMAN allen Fans von heftigen, klugen und sprachgewaltigen Thrillern mit Anspruch nur empfehlen!
Bewertung: 10/10
Zum Sprecher:
Luke Daniels ist Jake Cole. Er spricht ihn so heiser, bedrohlich und gebrochen, dass sich einem die Nackenhaare aufstellen. In dieser Stimme tun sich genau die Abgründe auf, die das Buch beschreibt. Daniels unterstützt mit seiner geduldigen, unheilvollen Erzählung die dunkle Atmosphäre der Geschichte hervorragend. Er differenziert schön zwischen den männlichen Figuren durch Akkzente und Stimmhöhe bzw. Stimmfarbe. Seine Bandbreite ist beeindruckend. Kay als einzige weibliche Figur gelingt ihm gut, und auch den kleinen Jeremy kriegt er hin – wenn auch am wenigsten überzeugend. Aber Kinderstimmen sind für Erwachsene immer schwierig.
Mal wieder so ein glücklicher Fall, wo Sprecher und Geschichte eine perfekte Symbiose bilden!
Info:
BLOODMAN ist Robert Pobi’s Debut und hat viel Kritikerlob eingeheimst. Er hat bereits drei weitere Bücher in Planung. ‚Mannheim Rex‘ erscheint Ende 2012 in den USA, ‚The Toymaker’s Children‘ im Frühjahr 2013 im Bereich UK, danach wird ‚Deselected‘ folgen.
Weitere Infos und Robert Pobi’s Blog gibt’s hier: http://www.robertpobi.com/index.html
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