Titel: ‚The Magicians‘
(dt. Titel: ‚Fillory. Die Zauberer.‘)
Autor: Lev Grossman
Sprache: Amerikanisch
Medium: Taschenbuchvon amazon.de für € 6,90
Länge: 528 Seiten
“In a way fighting was just like using magic. You said the words, and they altered the universe. By merely speaking you could create damage and pain, cause tears to fall, drive people away, make yourself feel better, make your life worse.”
― Lev Grossman, The Magicians
Inhaltsangabe (von amazon.de):
Der hochintelligente Einzelgänger Quentin Coldwater steht kurz vor dem Abschluss der Highschool. Vor der Langeweile des Alltags flüchtet er sich am liebsten in die fantastischen Romane, die in einem magischen Land, in Fillory, spielen. Natürlich ist Quentin davon überzeugt, dass es Zauberei in der realen Welt nicht gibt bis er sich unerwartet an einem geheimen, sehr exklusiven College außerhalb von New York wiederfindet.
Gerade noch ist er durch das winterliche Brooklyn gelaufen, als er plötzlich auf dem idyllischen Gelände des Brakebills-Colleges für Magische Pädagogik in der prallen Sommersonne steht. Als Quentin begreift, was mit ihm geschehen ist, ist er bereit, die ihm gebotene Chance zu ergreifen. Er beginnt, moderne Zauberei zu studieren und er genießt das Collegeleben: Freundschaft, Liebe und Sex.
Aber irgendetwas fehlt. Obwohl er eine Macht gewinnt, von der er niemals zu träumen gewagt hätte, ist er nicht wirklich glücklich. Da machen er und seine Freunde eine atemberaubende Entdeckung: Das magische Land Fillory gibt es tatsächlich, aber es ist weitaus düsterer und bedrohlicher als Quentin es sich je vorgestellt hatte. Sie begeben sich auf eine gefährliche Reise…
Zum Buch:
Quentin Coldwater befindet sich kurz vor dem Highschool-Abschluss und ist sein Leben schon leid. Nichts scheint ihm Erfüllung zu bringen; nicht die Schule, die für den Hochintelligenzler ein Kinderspiel ist; nicht seine Freundschaft mit James und dessen Freundin Julia, in die er insgeheim verliebt ist; nicht seine Eltern, die ihn kaum wahrzunehmen scheinen. Und sicher nicht die Aussicht auf irgendein Studium an irgendeiner Eliteuni.
Durch einen eher unglücklichen Zufall (und ein mysteriöses Stück Papier) gerät Quentin plötzlich auf den Campus eines Colleges, versteckt mitten in New York und offensichtlich in einer anderen Jahreszeit unterwegs, wo er an einem äußerst merkwürdigen Aufnahmetest teilnimmt. Es sind absurde Aufgaben, die der Leser mit ebenso viel Verwirrung und Neugier bewältigt wie Quentin. Hier wird nichts erklärt, hier wird niemand an die Hand genommen, und so interessant das Ganze auch ist, so skeptisch bleibt man mit Quentin. Hat er den Verstand verloren? Und, wenn nicht: Ist das gut, was er hier macht, oder sollte er nicht lieber die Finger davon lassen?
Schon zu Beginn etabliert Grossman einen düsteren, unkomfortablen Unterton, der nicht mehr verschwinden wird und gleichzeitig Faszination und Sorge nährt. Das Brakebills College für Magische Pädagogik, in das Quentin natürlich aufgenommen wird, ist kein lieblich-romantischer Ort. Quentin, der, genährt von den Fillory-Büchern, seit seiner Kindheit von der Existenz einer magischen Welt geträumt hat, kehrt der wahren Welt erleichtert den Rücken – um festzustellen, dass auch Brakebills kein Zuckerschlecken ist. Magie ist kein theatralisches Zauberstabgeschwenke, sondern vor allem eins: harte Arbeit. Es gilt, endlose Sprüche und deren ‚Bedingungen‘ auswendig zu lernen, komplizierte Handbewegungen immer und immer wieder zu üben. Das ist wie Formelpaukerei in Mathematik plus stupides Rezitieren von Vokablen, bis zum Erbrechen.
Eine Steigerung erfährt die Quälerei zwischenzeitlich, als Quentin und seine Klassenkameraden ein Semester in Brakebills South verbringen, im wahrsten Sinne am Ende der Welt. Die Isolation dort wird allerdings durchbrochen von erkenntnisreichen Erlebnissen im Körper anderer Lebewesen. Die Schilderung dieser Transformationen und ihrer Konsequenzen sind erstaunlich und leidenschaftlich. Grossman besitzt ein großes Talent für Empathie und die Vermittlung von Gedankenwelten durch völlig fremde Augen.
In Brakebills findet aber auch das ganz normale College-Leben statt. Quentin findet Freunde: den extravaganten Eliot, die verführerische Janet, Josh, Penny und Alice, die eine besondere Rolle in seinem Leben spielen wird. Einen großen Teil des Buches verfolgen wir diese Clique bei ihren Erfahrungen mit Alkohol, Sex und dekadentem Partyleben. Das ist nicht immer sympathisch. Die gelangweilte Blasiertheit, mit der sie durchs Leben gehen, und vor allem Quentin’s permanente Unzufriedenheit mit dem, was er hat, sind nicht leicht zu ertragen. Allerdings sind sie auch typisch für diese Altersklasse, und wenn man als Leser durchhält, erlebt man, wie im letzten Teil der Geschichte der ganzen Truppe drastisch die Augen geöffnet werden.
Das Land Fillory, so stellt sich heraus, gibt es nämlich wirklich. Quentin’s größter Traum scheint in Erfüllung zu gehen. Gemeinsam macht sich die Clique auf den Weg ins Abenteuer. Doch wie sich herausstellt, kann es sehr gefährlich sein, wenn Träume Realität werden. Vor allem, wenn man glaubt, große Macht zu besitzen, und erfahren muss, dass es Dinge gibt, die größer und dunkler sind als man selbst. Hochmut kommt vor dem Fall. Und man muss sich entscheiden, für welche Welt man geschaffen ist.
Hier mehr zu verraten, würde die großen Momente des Buches ruinieren. Und davon gibt es viele – große und auch kleine. Nicht nur wimmelt die Geschichte vor Verbeugungen, Zitaten und ironischen Querverweisen auf andere Meilensteine der Fantasy-Literatur von Narnia bis Harry Potter, sondern sie ist auch ein Paradebeispiel für die neue Gattung des ‚magical realism‘. Hoch metaphorische Beschreibungen und komplexe Emotionen wechseln sich ab mit Profanität und Oberflächlichkeit. Fantasie trifft auf raue Wirklichkeit. Grossman schwelgt in komplexer Sprache, scheut aber auch vor hässlichen Abgründen und grausigen Momenten nicht zurück. Das Ende der Geschichte ist vom Plot her eindeutig, bietet andererseits Raum für viele Deutungen über die Botschaften des Buches.
Fazit:
‚The Magicians‘ ist ein extravagentes Konglomerat aus Fantasy und Realismus. Die arrogant-schwermütige Jugend der heutigen Zeit prallt auf eine magische Welt, bei der sich selbst Harry Potter in die Hose gemacht hätte. Quentin, die Hauptfigur, wirkt wie ein Holden Caulfield aus Der Fänger im Roggen, den man in eine feindselige Fantasie-Welt geworfen hat mit dem Rat, sich jetzt endlich zusammen zu reißen und erwachsen zu werden. Denn auch das ist ‚The Magicians‘ – die Coming of Age-Story eines ‚Helden‘, der ständig glaubt, es gäbe etwas Besseres als die Welt, in der er lebt. Und der dabei lernen muss, das man für die Erfüllung seiner Träume einen hohen Preis zahlen muss.
Das Buch hat mich immer wieder überrascht, war ein ganz neues Genre für mich und hat jetzt schon gute Chancen, in die Endrunde für mein ‚Buch des Jahres 2012‘ zu kommen. Ein Geheimtipp für alle, die Fantasy und Zauberei mögen, aber mit romantischer Verklärung des Themas nichts anfangen können.
Bewertung: 9/10
Eine Fülle an Informationen und weiterer links findet ihr unter www.themagicians.com (unter anderem gibt es hier die ersten Kapitel (auf Englisch) umsonst zu lesen, sowie ein link zur eigenen Seite des ‚Brakebills College‘).