Titel: Das Institut
Originaltitel: The Institute
Aus dem Amerikanischen von: Bernhard Kleinschmidt
Autor: Stephen King
Format: Hörbuch
Sprecher: David Nathan
Verlag: Random House Audio
erschienen: 10.09.2019
Länge: 21:02 Std., ungekürzt
Das Hörbuch ist als Download bei audible.de erhältlich, und zwar HIER. Es kostet im Flexi-Abo € 9,95. Eine Hörprobe findet ihr auf der Produktseite von Audible.
Inhaltsangabe (Audible):
In einer ruhigen Vorortsiedlung von Minneapolis ermorden zwielichtige Endringlinge lautlos die Eltern von Luke Ellis und verfrachten den betäubten Zwölfjährigen in einen schwarzen SUV. Die ganze Operation dauert keine zwei Minuten. Luke wacht weit entfernt im Institut wieder auf, in einem Zimmer, das wie seines aussieht, nur dass es keine Fenster hat. Und das Institut in Maine beherbergt weitere Kinder, die wie Luke paranormal veranlagt sind: Kalisha, Nick, George, Iris und den zehnjährigen Avery. Luke erfährt, dass andere Kinder vor ihnen nach einer Testreihe verschwanden. Und nie zurückkehrten.
Zum Hörbuch:
Von einer beschaulichen Kleinstadt…
Nach den ersten zehn Minuten beginne ich mich zu wundern: Habe ich das falsche Hörbuch geladen? Anstatt um einen Jungen namens Luke geht es um einen Ex-Cop namens Tim, und von den Ereignissen aus der Inhaltsangabe ist meilenweit nichts zu sehen. Doch es ist das richtige Hörbuch, und es ist Stephen King, der Meister der mäandernden Erzählung, also warte ich ab und schließe dabei den soliden, freundlichen Tim und die Kleinstadtbewohner ins Herz, die er als neuer Nachtwächter behütet.
…in ein grausames Institut
Schließlich schwingt die Geschichte aber doch hinüber zum hoch intelligenten Luke, der nach seiner Entführung im titelgebenden Institut aufwacht. Mit ihm erfahren wir häppchenweise, was dort geschieht, durchleben mit ihm und den anderen gefangen gehaltenen Kindern einen immer verstörender werdenden Tagesablauf aus würdelosen Untersuchungen, schmerzhaften Experimenten und Injektionen, die teils lebensbedrohliche Nebenwirkungen haben. Durchgeführt wird das alles von emotional völlig ungerührtem Personal, dessen Gleichgültigkeit und Machtmissbrauch zunehmend schockiert.
Was hat es mit all dem auf sich? Wozu die Experimente? Wer leitet das Institut? Das bleibt uns sehr, sehr lange genauso schleierhaft wie Luke. Es hat etwas mit paranormalen Fähigkeiten zu tun, das ist klar. Alle der Kinder haben entweder telepathische oder telekinetische Fähigkeiten. Aber darüber hinaus? Fragezeichen.
Natürlich lüftet King das Geheimnis am Schluss. Und trotz des paranormalen Aspekts ist das erstaunlich glaubhaft, was das Thema „Der Zweck heiligt die Mittel“ angeht. Da läuft es einem kalt den Rücken hinunter, zumal King Bodenkontakt mit der Realität behält.
Ist das Horror?
Ist das hier eine Horrorgeschichte? Jein. Es gibt hier keine Außerirdischen, keine gruseligen Kreaturen. Aber es gibt Monster: die Menschen. Immer unerträglicher wird die lässig ausgeteilte Grausamkeit der Institutsangestellten; immer unerträglicher werden die Experimente und die Folgen, die sie für die Kinder haben. Die Erwachsenen in diesem Roman haben größtenteils nichts Menschliches mehr an sich in ihrem Verhalten. Umso gruseliger ist das, weil wir dabei viel in den Köpfen des Institutspersonals sitzen.
King kontrastiert das geschickt mit der bunt gemischten Truppe von Kindern, die sich im Institut als Freunde um Luke scharen. Hilflos aber tapfer, gehört ihnen schnell unser Herz. Vor allem, wenn sich diese Kids gegenseitig unter die Arme greifen und in aller Not füreinander da sind. King gibt uns die übliche Gruppe aus Misfits, die wir schon aus anderen Romanen von „Stand by Me“ bis zu „Es“ kennen: Den klugen Nerd, das toughe Mädchen, den Sportler, den übergewichtigen Weichling, den kleinen Bruder… Kennen wir alles, und auch wenn er das schon mal noch besser gemacht hat, beweist King mal wieder, wie unglaublich gut er über Kinderfreundschaften schreiben kann.
Typisch King: mit Längen, aber dann knallt’s
Wenn man an „Das Institut“ etwas kritisieren möchte, dann den sich schleppenden Mittelteil. Die Vorgänge in Institut schildert King ausdauernd und so lange, bis man es fast nicht mehr hören kann. Das mag intendiert sein, um uns ein genauso gequältes Gefühl zu vermitteln wie den Kids. Das mag aber auch an King’s traditionellem Hang zur Langatmigkeit liegen. Jedenfalls hat man zur Hälfte das Gefühl, dass die Story auf der Stelle tritt – als das Tempo dann plötzlich immer mehr anzieht, der Plot auf mehrere Orte und die Erzählperspektive auf verschiedene Personen verteilt wird. Da führt King die beiden ursprünglichen Handlungsstränge auch wieder zusammen und lässt alles in einem bombastischen Showdown kulminieren. Zu der Zeit kann man das Hörbuch auch nicht mehr aus den Ohren nehmen. Es wird zu einem Thriller!
Zum Sprecher:
Noch irgend etwas an David Nathan zu finden, das nicht schon tausendmal in höchsten Tönen gelobt wurde, ist schwer. Seine ruhige, subtile Vortragsart passt perfekt zu Stephen King’s Romanen. Das Grauen kommt bei ihm auf leisen Sohlen und unterstreicht gerade hier die Distanziertheit der Institutsangestellten. Meisterhaft vollbringt Nathan in diesem King-Roman das Kunststück, Kinderrollen zu sprechen. Da wird nicht gequietscht oder dick aufgetragen: Nathan verleiht den jungen Helden nuanciert Unschuld, Altklugheit, Angst, eine dicke Lippe und viele andere Charakteristika, und das alles nur mit leicht variierter Tonlage. Da verwechselt man keinen, und das beißt nie in den Ohren. Sowas kriegen nur echte Könner hin!
Fazit:
Stephen King liefert einen paranormal angehauchten Roman ab, in dem die Menschen die Monster sind, oder vielmehr: die Erwachsenen. Institutionalisierte Gewalt und abgestumpfter Befehlsgehorsam stehen dem unschuldigen, festen Zusammenhalt von Kindern gegenüber, die einem System ausgeliefert sind, aber nicht aufgeben. Seitenhiebe auf den mentalen Status und die Gewissenlosigkeit des jetzigen Amerika sind deutlich gewollt. Das Ganze hat – wie oft bei King – zermürbende Längen, schraubt sich aber gerade in der zweiten Hälfte zu einem Thriller hoch. Ein zeitgemäßer, guter King-Roman, dessen gefühlskalte Grausamkeit gegenüber den jungen Hauptpersonen allerdings nicht einfach zu ertragen ist.
Bewertung:
Hörbuch: 7 von 10 Punkten
Sprecher: 10 von 10 Punkten