Titel: Ein ganzes Leben
Autor: Robert Seethaler
Format: Hörbuch
Sprache: Deutsch
Sprecher: Ulrich Matthes
Anbieter: tacheles!/Roof Music
erschienen: 23.07.2014
Länge: 03:50 Std., ungekürzt
Das Hörbuch ist als Download bei audible.de erhältlich, und zwar HIER. Es kostet im Flexi-Abo € 9,95 (regulärer Preis € 13,95) Eine Hörprobe findet ihr ebenfalls auf der Produktseite von audible.
Inhalt:
Als Andreas Egger in das Tal kommt, in dem er sein Leben verbringen wird, ist er vier Jahre alt, ungefähr – so genau weiß das keiner. Der Bauer Kranzstocker nimmt ihn widerwillig bei sich auf, als junger Mann schließt er sich einem Arbeitstrupp an, der eine der ersten Bergbahnen baut. Dann kommt der Tag, an dem Egger zum ersten Mal vor Marie steht, der Liebe seines Lebens.
Zum Hörbuch:
Ein karges, von Schicksalsschlägen überschattetes Leben in den österreichischen Bergen – so lässt sich Robert Seethalers Erzählung inhaltlich zusammenfassen. Zwischen Felsgestein, Seilbahnmasten und Bergbauernhöfen ragt die Hauptfigur hervor: Andreas Egger, so verwittert und unverwüstlich wie die Bergwelt, aus der Seethaler die klare, gänzlich unromantische Bildersprache des Buches bezieht.
Stoisches Überleben
Staunend bezeugt der Leser (und Egger selbst), was dieser alles überlebt: die knochenbrechende Prügel durch den Ziehvater, eine Lawine, den Verlust seiner Frau, Jahre in Kriegsgefangenschaft. Stoisch übersteht der Egger all das. Ohne Gefühl ist er nicht. Herzzerreißend sind die Szenen nach dem Lawinenunglück. Aber er akzeptiert ohne Aufbegehren alles, was ihm das Schicksal vor die Füße wirft und stapft weiter.
Die Ruhe der Akzeptanz
Das hat, so analysiert man, mit einer angeboren starken Gesundheit genauso zu tun wie mit einer mentalen Einstellung, die wenig Ausschläge nach oben oder unten kennt. Egger nimmt die Dinge hin wie sie sind. Er hinterfragt nichts, und sich selbst auch nicht. Diese unreflektierte Akzeptanz macht für Egger alles erträglich. Man hat sogar den Eindruck einer grundsätzlichen Zufriedenheit an Eggers Lebensende. Und das trotz der Einsamkeit und Isolation dieser Figur, die immer irgendwie für sich alleine weiter hinkt.
Gesellschaftskritik oder Lebensbericht?
Gerade den Schlussteil des Buches kann man gesellschaftskritisch auslegen: die turnschuhtragenden Touristen, die moderne Welt, die überbordend und überfordernd in Eggers kleine Welt eindringt. Man kann in dieses Buch eine Glorifizierung des einfachen Lebens hineinlesen. Gerade in Zeiten, wo alles doppelt überfrachtet und dreimal hinterfragt wird, scheint so ein stoisches Lebensmodell erleichternd.
Man kann aber auch – und das sehe ich so – diesen Lebensbericht einfach so stehen lassen. Ohne Botschaft. Ohne doppelten Boden. Egger und seine Berge als Inbegriff für das simple Einfach-so-Sein, am Schluss so zerfurcht, aber letztlich bedeutungsarm wie die meisten Leben. Von Anfang bis Ende ganz einfach eine Aufeinanderfolge aus überstandenen Ereignissen, guten und schlechten, am Schluss mit unspektakulärem Abgang. Nicht mehr. Nicht weniger. Man muss nicht allem eine Bedeutung beimessen, die es gar nicht haben will. (Obwohl ja auch das irgendwie wieder eine Aussage ist…)
Der Sprecher:
Schauspieler Ulrich Matthes trägt Eggers Leben so vor, wie der Text es verlangt – mit Ruhe, ohne jede Hast, ohne Tempowechsel. Dennoch sorgt allein schon seine Stimme für Gewicht, sein Gefühl für Pausen gibt jedem Satz Raum. Unfassbar, wie Matthes mithilfe gravitätischer Monotonie zu fesseln vermag. Ein Hörerlebnis!
Fazit:
EIN GANZES LEBEN ist eins von diesen kleinen Büchern, in die man viel hineinlesen kann. Man kann es aber auch lassen, und genau diese sture, nicht hinterfragende Einstellung, die die Hauptfigur Andreas Egger durch ein einfaches Leben trägt, als (Nicht-)Botschaft dieser Erzählung verstehen. Um dann die karge, klare und schöne Sprache Seethalers zu genießen und ein langes Bergleben staunend vor sich vorübergleiten zu lassen. Ulrich Matthes‘ großartige, unaufgeregte und dennoch vereinnahmende Lesung verleiht der kurzen Erzählung unglaubliches Gewicht.