Rezension: „Maestra“ von L.S. Hilton

Titel: Maestra
engl. Originaltitel: Maestra
Autor:L.S. Hilton
Übersetzt von: Wibke Kuhn
Sprache: Deutsch (Originalsprache: Englisch)
Format: eBook
Verlage: Piper
erschienen: 02.05.2016
Seitenzahl der Printausgabe: 384 Seiten

„Maestra“ ist erhältlich direkt beim Piper-Verlag oder beim Buchhändler eures Vertrauens.

Disclaimer: Das Hörbuch wurde mir vom Verlag via netgalley.de im Gegenzug für eine ehrliche Rezension zur Verfügung gestellt.

Inhalt:

Judith Rashleigh arbeitet für ein renommiertes Londoner Auktionshaus. Deshalb hält sie es zunächst für ein Versehen, dass ein von ihr als Fälschung entlarvtes Meisterwerk zur Versteigerung angeboten wird. Als sie den Galeristen auf den Fehler hinweist, feuert er sie kurzerhand und raubt ihr jegliche Hoffnung auf eine Zukunft in der Kunstwelt. Doch es gelingt ihr, sich trotzdem weiterhin in den elitären Kreisen zu bewegen und die Hintergründe des millionenschweren Kunstbetrugs aufzudecken, ohne dabei ihre wahre Identität preiszugeben. Ein riskantes Spiel, an dem die junge Britin aber schnell Gefallen findet – und zwar so sehr, dass sie den Spieß schließlich umdreht und sich das nimmt, was ihr zusteht. Um jeden Preis.

Zum Buch:

Wenn einem schon auf den ersten Seiten das Wort „Möse“ entgegenspringt, und sich der Prolog in einem orgiastischen Swingerclub mit nackten Kellnerinnen und Bonbonschälchen voller Gleitmittel abspielt, dann kommen für dieses Buch nur zwei Intentionen in Frage: Porno oder Provokation?
„Maestra“ drückt einem die Geschlechtsteile jedenfalls direkt ins Gesicht, und wenn (oder falls) man sich entschließt weiterzulesen, gerät man in ein Konglomerat aus femme fatale-Kunstkrimi und ungehemmten Sexeskapaden.

Das neue Shades Of Grey?

Ein neues „Shades Of Grey“ ist „Maestra“ dabei auf keinen Fall. Hatte Ersteres mit einer Liebesgeschichte zu tun, finden wir eine solche in Letzterem nicht. Gar nicht. Nirgendwo. Judith, die Hauptfigur, scheint bis auf einen unstillbaren Sexualtrieb überhaupt keine Emotionen zu besitzen. Was zunächst wie Naivität und Unerfahrenheit wirkt, entpuppt sich als komplette Abwesenheit von Empathie. (Ja, ich weiß, da gibt es ihre „Freundschaft“ zum Wachmann, aber die wirkt wie ein deplatzierter Versuch, uns Judith irgendwie menschlich erscheinen zu lassen.) Ohne mit der Wimper zu zucken geht diese Figur über Leichen, immer nur ein Ziel vor Augen: Reichtum.

Wo ist der Aufdruck „Werbeanzeige“?

Designer Fashion, Automarken, Champagnersorten – „Maestra“ ist durchsetzt mit Judith’s sehnsuchtvollen Bemerkungen über die Objekte ihrer Begierde. Wer was anhat, was sie sich kauft, welcher Alkohol serviert und in welchen High Heels durch die Gegend gestöckelt wird – ziemlich schnell interessiert es mich nicht mehr, ob das jetzt Armani, Gucci oder Veuve Cliquot war. Mir ist klar, dass Hilton damit ihre Figur charakterisiert, aber ich frage mich schon manchmal, ob das hier ein Buch oder eine Werbeveranstaltung sein soll.

Gewollt dreckig

Wenn in „Maestra“ von Sex geredet wird, hat das nichts mit sinnlicher Erotik zu tun. Das ist herabsetzende, gefühllose Hardcore-Erotik. Hier wird nicht miteinander geschlafen, hier wird „gefickt“. Reine animalistische Triebbefriedigung. Ist ja okay, wenn das im wahren Leben jemand so mag. Bitte. Jeder, wie er will. Aber warum muss Hilton das hier so prominent und immer wieder vorführen? Um das femme fatale Image von Judith zu unterfüttern? Um zu schockieren? Um zu zeigen, dass auch Frauen pornografisch schreiben können? Ist das wirklich nötig?
Soll ich Judith dafür bewundern, dass sie sich von niemandem etwas sagen lässt? Dass sie macht, was sie will? Für mich persönlich ist das nur eine weitere verstörende Facette an einer Hauptfigur, die ich innerlich ablehne.

Unterschwellige Spannungsströmung

Merkwürdigerweise habe ich trotzdem den Drang, „Maestra“ bis zum Ende zu lesen. Das liegt an einer unterschwellig anziehenden Spannung und an dem Wunsch, zu sehen, wie weit Judith gehen wird. Ob sie tatsächlich von der untergebutterten Auktionshaus-Assistentin erst zur gewieften Mörderin, dann zur Betrügerin und schließlich zur steinreichen Kunsthändlerin wird. Oder ob sie entweder über ihre materielle oder sexuelle Besessenheit stolpert.

Wie sie ihren Kopf geistesgegenwärtig immer wieder aus der Schlinge zieht, ist schon interessant. Wie das Ganze immer mehr eskaliert und Judith dennoch ein ums andere Mal aus der Opfer- in die Täterrolle schlüpft und den Spieß umdreht. Auch wenn ich mich frage, woher diese gewissenlose Agentenintelligenz kommen soll. Wie das passieren konnte, dass Judith mit so cooler Distanz so geschickt zu handeln gelernt hat. Das bisschen, was wir über ihre Lebensgeschichte lernen, reicht nicht als Erklärung. Aber spannend ist das schon.

Und die Moral von der Geschicht‘?

Der Schluss ist ohne große Wendung, ohne Ausrufezeichen. Zwei Versionen kommen in Frage, und eine davon ist es dann. Überrascht nicht wirklich, und ich zumindest hätte es mir anders gewünscht. Was als gewollt schockierendes Konstrukt begann, endet ohne jede Botschaft (die man allerdings auch nicht erwartet) und – stattdessen passend – ohne jede Moral.

Fazit:

Wenn man etwas Provozierendes braucht, um sich wie ein böses Mädchen zu fühlen, kann man „Maestra“ gerne lesen. Wenn man einen Krimi will, oder auch einen erotischen Krimi, gibt es allerdings wesentlich Besseres. Plakativer Wert. Sonst nichts.

Bewertung: 3 von 10 Punkten

3 Gedanken zu “Rezension: „Maestra“ von L.S. Hilton

    • papercuts1 31. Mai 2016 / 15:29

      Schön, wenn dir das gekürzte Hörbuch so gut gefallen hat! Vielleicht tritt durch die Kürzungen die Spannung in den Vordergrund? Oder die Sprecherin hat’s aufgewertet? Da kann man nur mutmaßen.
      Ich fand’s ja auch nicht umspannend, aber der Aspekt war mir nicht stark genug, um die von mir als negativ empfundenen Anteile auszubügeln.
      Ist doch immer interessanter, wenn nicht alle derselben Meinung sind!

  1. Silvia 1. Juni 2016 / 6:59

    Fr dieses Buch wurde viel geworben, dank dir kann ich es jetzt besser einschätzen. Ich glaube, es ist nichts für mich.

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