Titel: Die Falle
Autorin: Melanie Raabe
Sprache: Deutsch
Format: Hörbuch
Sprecher: Devid Striesow, Birgit Minichmayr
Anbieter: Der Hörverlalg
erschienen: 09.03.2015
Länge: 10 Std. 23 Min. (ungekürzt)
Das Hörbuch ist als Download bei audible.de erhältlich, und zwar HIER. Es kostet im Flexi-Abo € 9,95 (regulärer Preis €13,95). Eine Hörprobe findet ihr ebenfalls auf der Produktseite von audible.
Inhalt (audible):
Linda Conrads ist ihren Fans und der Presse ein Rätsel. Sie veröffentlicht Jahr für Jahr Bücher, die zu Bestsellern werden, lebt aber völlig zurückgezogen. Seit gut elf Jahren hat sie keinen Fuß mehr über die Schwelle ihres Hauses gesetzt. Die Medien spekulieren über eine mysteriöse Krankheit, doch den wahren Grund kennt niemand außer Linda selbst: Sie wird von einer schrecklichen Erinnerung gequält, denn vor vielen Jahren hat sie ihre jüngere Schwester Anna ermordet aufgefunden – und den Mörder flüchten sehen. Der Täter wurde nie gefasst, und das Gesicht des Mörders verfolgt Linda seither bis in ihre Träume. Doch eines Tages flimmert genau dieses Gesicht über ihren Fernseher. Es gehört Victor Lenzen, dem neuen Reporter einer Nachrichtensendung.
Zum Hörbuch:
Seit Wochen sprudelt meine Twitter-Timeline über vor Begeisterung über den Debut-Roman von Melanie Raabe. Spätestens, seit die sympathische Autorin auf derselben Neil Gaiman-Lesung wie ich war, folge ich ihr auf Twitter und war auch ganz gespannt auf ihren Erstling.
Also ran.
Recht zügig macht sich allerdings Verunsicherung bei mir breit. Die Geschichte will mich nicht packen. Die Begeisterung so ziemlich aller anderen Buchblogger und Leser um mich herum stellt sich bei mir einfach nicht ein. Zwar liest sich der Beginn angenehm, und ich werde vor allem von der Neugier getrieben, zu erfahren, warum Linda seit elf Jahren ihr Haus nicht mehr verlässt. Auch die Buch-im-Buch-Struktur gefällt mir, wird vor allem als Hörbuch durch den Sprecherwechsel schön unterstrichen.
Problemfall Linda
Aber ich finde keine Nähe zu den Figuren. Der fiktive Kommissar weckt in mir ein gewisses Interesse, aber Linda bleibt auf Abstand. Ich habe Probleme, trotz ihres schweren Traumas Verständnis für ihren psychischen Zustand zu entwickeln. Sie kommt mir schwach vor, dreht sich unglaublich um sich selbst, und als sie damit aufhört, finde ich ihre Vorgehensweise unrealistisch und naiv. Erst traut sie sich nicht mal mit dem Hund vor die Tür, und dann meint sie, per Crash-Kurs lernen zu können, wie man einen ausgefuchsten Mörder im Verhör bricht? Geht für mich nicht zusammen.
Das liegt aber auch an meiner persönlichen Abneigung für Menschen, die sich im eigenen Leid verfangen und darin suhlen. Linda hat Tendenzen dazu, und sowas kann ich derzeit nur bedingt ertragen. Mein ganz eigenes Problem und nicht die Schuld der Autorin. Das gebe ich gerne zu.
Wo bleibt die Spannung?
Die Spannung hält sich allerdings zunächst auch in Grenzen. Wir erfahren häppchenweise, was mit Linda los ist, vom Mord an ihrer Schwester, und wie sie sich auf die Konfrontation mit dem Mörder vorbereitet. Das zieht sich in meinen Augen, und ich freue mich über die Wechsel zum Buch-im-Buch. Der fiktiv-autobiografische Krimi aus Lindas Feder ist für mich über weite Strecken die spannendere Perspektive.
Zur Halbzeit wird’s interessant
Zum Glück vollführt DIE FALLE zur Halbzeit dann eine Wende, die mich aufweckt. Alles wird auf den Kopf gestellt. Man weiß nicht mehr, wem man glauben soll. Plötzlich haben wir es mit einer Erzählerin zu tun, auf die wir uns nicht mehr verlassen können, die sich selbst nicht mehr auf sich verlassen kann, und sowas gefällt mir. Jetzt knistert es dann doch.
Bühnenreifer Höhepunkt
Ein Kammerspiel zwischen Linda und dem Mörder, stark dialoglastig, ist der Höhepunkt des Krimis. Da bin ich zumindest ganz Ohr. Schade allerdings, dass im selben Maße der Buch-im-Buch Handlungsstrang geradezu lästig wird. Da tut sich nach starkem Beginn nicht so viel, und man möchte am liebsten wieder zu Linda in die Realität vorspulen.
Zum Ende will ich nichts verraten. Da ist bei einem Buch wie ‚Die Falle‘ jedes Wort ein Spoiler. Ich fand es in Ordnung, so viel sei gesagt
Zu den Sprechern:
Birgit Minichmayr hat eine angenehme Altstimme mit rauchigen Untertönen. Das mag ich, schließlich haben wir es hier nicht mehr mit einer jungen Ich-Erzählerin zu tun, sondern mit einer Frau, die schon durch einiges hindurch ist. Was mich bei Minichmayr allerdings stört: englische Wörter (und einen immer wieder auftauchenden Songtitel) spricht sie nicht sonderlich gut aus. Da habe ich als alte Anglistin einfach einen Fimmel: Immer, wenn Minichmayr ‚Song‘ vorne mit weichem ’s‘ ausspricht, schüttelt es mich. Tut mir leid. Das geht bei mir einfach gar nicht. Erst recht nicht, wenn ein Beatles-Song davon betroffen ist. Autsch.
Devid Striesow, den ich sonst nur aus dem ‚Tatort‘ kenne, macht seine Sache ordentlich. Manchmal hört er sich etwas überzogen dramatisch an, dafür ist seine Aussprache sauberer als bei Minichmayr. Eine gute Leistung, wenn auch nicht spektakulär.
Fazit:
Ein Debut-Roman, von dem ich mich gerne hätte begeistern lassen. Die Buch-im-Buch Struktur ist eine interessante Idee, und Raabe konzentriert sich auf psychologische Spannung, die in einem Kammerspiel gipfelt. Die Erzählerin erweist sich als alles andere als zuverlässig, hat zu diesem Zeitpunkt meine Sympathien aber leider nicht auf ihrer Seite. Ihre Selbstabsorbiertheit, ihre Labilität stoßen mich persönlich ab. Ihr Plan zum Überführen des Mörders scheint mir nicht realistisch.
Tja. Da liegt wirklich der Hase im Pfeffer: Wo andere Mitgefühl und Verständnis für Linda entwickeln und daher mit ihr mitfiebern, lässt mich ihre Not kalt, und deshalb hält sich der Spannungsfaktor für mich in Grenzen. Dass ich mit der Hörbuch-Sprecherin ein paar sehr subjektive Probleme habe, hilft da auch nicht gerade.
Es geht also um mein subjektives Empfinden für die Hauptfigur, und weniger um die Story, die Sprache, Raabes Schreibstil. Die sind, gerade für einen Erstling, von wirklich ordentlichem Format. Raabe bleibt konsistent, und von ihr werden wir bestimmt noch mehr lesen.
So begeistert, wie die meisten anderen Leser klingen, ist das wohl einfach ein Fall von ’nicht mein Buch, aber vielleicht eures‘. Melanie Raabe möge es mir verzeihen und mir auf der nächsten Neil Gaiman-Lesung nicht den Kopf abreißen.
Bewertung:
Hörbuch: 5 von 10 Punkten
Sprecher:
Birgit Minichmayr: 4 von 10 Punkten
Devid Striesow: 6 von 10 Punkten