Titel: ‚Amokspiel‘
Autoren: Sebastian Fitzek, Johanna Steiner
Format: Hörspiel
Sprache: Deutsch
Sprecher: Vera Teltz, Simon Jäger, Uve Teschner, Timmo Niesner, Detlef Bierstedt, Oliver Rohrbeck u.a.
Anbieter: Audible
Veröffentlicht: 13. Juni 2013
Länge: 7 Std 06 Minuten (ungekürzt)
Erhältlich ist das Hörspiel bei audible.de, und zwar HIER. Es kostet €9,95 im Flexi-Abo (Normalpreis €20,95).
Eine kostenlose Hörprobe findet ihr auf der Produktseite von audible.
Beschreibung (Audible):
Dieser Tag soll ihr letzter sein. Die renommierte Kriminalpsychologin Ira Samin hat ihren Selbstmord sorgfältig vorbereitet. Zu schwer lastet der Tod ihrer ältesten Tochter auf ihrem Gewissen. Doch dann wird sie zu einem grauenhaften Geiseldrama in einem Berliner Radiosender gerufen. Ein Psychopath spielt ein makaberes Spiel…
Nach dem grandiosen und preisgekrönten Bestseller „Das Kind: Das ungekürzte Hörspiel“ hat Hörspiel-Regisseurin und Ohrkanus-Preisträgerin Johanna Steiner nun Sebastian Fitzeks „Amokspiel“ komplett als Hörspiel adaptiert und mit Oliver Rohrbecks Lauscherlounge-Team im Hörspielstudio Xberg vertont. Auch diesmal ist wieder die Creme de la Creme der deutschen Sprecherinnen und Sprecher vertreten, angefangen bei Simon Jäger (Erzähler) über Vera Teltz (Ira Samin), Timmo Niesner (Jan May), Uve Teschner (Oliver Götz), Detlef Bierstedt (Steuer), Oliver Rohrbeck (Diesel), Julia Stöpel (Kitty Samin) bis Reinhard Kuhnert (Johannes Faust). Hinzu kommt ein für das Hörspiel komponierter Soundtrack von Dirk Wilhelm. Herausgekommen ist ein hochspannendes, über 7-stündiges Hörerlebnis, das an Detailtreue und emotionaler Intensität seines Gleichen sucht.
Zum Hörspiel:
Aha. Fitzek als Hörspiel. Ungekürzt. Mit einem Who is Who der deutschen Sprechergarde vor den Mikrofonen. Obwohl ich ja wirklich so meine Bedenken mit Fitzek habe (s. DER NACHTWANDLER), lockt es mich doch. Bekommt der Herr Fitzek eben noch mal eine Chance.
Und siehe (oder vielmehr höre) da: Er nutzt sie!
Wenn ich mich nicht sehr irre, ist das der gute Erik Räuker, der uns mit einer Definition von ‚Amok‘ und einem Zitat von Schopenhauer stimmig ins Geschehen taucht. Dann übernimmt Simon Jäger als Erzähler, vor der Geräuschkulisse von Gemüse-Geschnippel, brodelnden Kochtöpfen und Telefonklingeln. Wir lernen Jan (gesprochen von Timmo Niesner) kennen, in einem traumatischen, die Geschichte definierenden Moment. Es ist derselbe Jan, der wenige Kapitel später in einem Berliner Radiosender Geiseln nimmt und ein makaberes Spiel beginnt…
Alles Weitere wäre – wie das bei Fitzek ja immer ist – zu viel verraten. Ganz typisch wird der Hörer Ohrenzeuge eines Dramas, bei dem nichts so klar und durchschaubar ist, wie es zunächst den Anschein hat. Es gibt unerwartete Wendungen, falsche Fährten und die klassischen ‚Häh? Hab ich da irgendwas nicht mitbekommen?!‘-Momente, die Fitzek gerne erst rückblickend erläutert. Wer hier gut und wer böse ist, oder vielleicht auch von beidem etwas, das sollte man nicht zu früh beschreien. Auch typisch: ein wilder Showdown, den man erst im Epilog so richtig auseinanderklamüsert bekommt.
Was nicht so ist wie immer: AMOKSPIEL tritt nicht so halsbrecherisch auf wie z.B. DER AUGENSAMMLER oder ABGESCHNITTEN. Die Geschichte überschlägt sich nicht pausenlos vor Cliffhängern und aufeinandergeschachtelten Höhepunkten. Man zerbeißt sich nicht die Fingernägel bei dem Versuch, mit der Story Schritt zu halten und zu kapieren, was vor sich geht. Gerade die erste Hälfte des Hörspiels verläuft ungewöhnlich linear und (für einen Fitzek) beinahe schon geruhsam. Der Roman, auf dem das Hörspiel beruht, erschien bereits 2007 – möglicherweise ist das ein Grund.
Manchen wird das Tempo nicht hoch genug sein. Mir nicht. Im Gegenteil: Dadurch, dass Fitzek den Fuß vom Gas nimmt, kommt endlich mal nicht diese verwirrende Hektik auf. Ich kann der Geschichte jederzeit folgen, und so plausibel und annähernd realistisch erschienen mir die jüngeren Fitzeks nicht. Auf Kosten der Action geht das trotzdem nicht. Im Gegenteil: Die Geschichte wäre eine perfekte Vorlage für einen guten TV-Movie mit etlichen Stuntanteilen.
Einige Hörer werden noch etwas vermissen: übertriebene Grausamkeit und einen gewissen Grusel-Faktor. Denn auch was Letzteres angeht, hält Fitzek sich diesmal vornehm zurück. Ja, auch in AMOKSPIEL wird gefoltert. Ja, auch hier muss irgendwo wieder das Element ’sexuelle Abartigkeit‘ reinkommen, das mir bei Fitzek immer wieder mal negativ aufstößt. Aber beides passiert eher am Rande und steht nicht im Zentrum des Thrillers.
Stattdessen geht es diesmal – neben einem ziemlich klassischen Krimi-Plot – um Schuld und um Absolution. Ira, die Hauptfigur, muss sich nicht nur mit einem Geiselnehmer herumschlagen, sondern mit einem ganz persönlichen Trauma. Auch eine schöne Variante, denn diesmal nimmt eine Frau den Platz des üblichen gebrochenen Ermittlers ein. Großartige Tiefe hat das nicht. Wer hier mehrdimensionale Charaktere mit allen möglichen Ecken und Kanten erwartet, wird enttäuscht. Aber es reicht für recht glaubhafte Figuren mit genug Hintergrund, um sich auf ihre Seite stellen zu können.
Zum Ende hin nimmt die Sache dann richtig Fahrt auf. Beim bleihaltigen Showdown können die Hörspielmacher alle Register ziehen: Pistolenschüsse, krächzende Walkie-Talkies, das satte ‚FUPP-FUPP-FUPP‘ von Helikoptern…. Das macht Spaß! Bis hin zum einem ebenfalls nicht ganz Fitzek-typischen Ende. Müsst ihr selber hören, um das zu verstehen.
Zu den Sprechern:
Wo soll ich da anfangen? Von den Hauptfiguren bis zu den kleinsten Nebenrollen sind das Vollprofis. Simon Jäger hat bereits das AMOKSPIEL-Hörbuch eingelesen und weiß genau, was er tut. Vera Teltz meistert die Psychologin Ira ohne Probleme. Timmo Niesner als Geiselnehmer Jan hört sich nur zu Beginn zu ’nett‘ an und kann ebenso überzeugen wie Detlef Bierstedt als Befehle bellender Einsatzleiter Steuer. Ein Sternchen machen würde ich noch hinter die charmante Performance von Oliver Rohrbeck und die von Uve Teschner. Letzterer gibt den SEK-Mann Götz so überzeugend, dass ich beim Hören seine breite, Teflon-verkleidete Brust in meinem Rücken spüre.
Dieser Mannschaft zuzuhören, ist einfach nur eine Freude!
Fazit:
Ein nicht ganz klassischer Fitzek in einer gelungenen Hörspielversion. Weniger Speed, weniger Grausamkeit, weniger Verwirrung als sonst. Das führt zwar dazu, dass man nicht ganz so an den Kopfhörern klebt wie üblich, bedeutet aber wohltuende Plausibilität und einen Plot, der einem nicht völlig das Hirn verdreht. Wenn etwas weniger Nervenkitzel bedeutet, dass ich mich weniger über haarsträubende Sprünge in der Story ärgern muss, dann nehme ich das gerne in Kauf. Für solide Action reicht es jedenfalls völlig. Es wäre interessant zu wissen, ob das auch mit der Hörspielbearbeitung des Romans durch Johanna Steiner zusammenhängt. Das kann ich nicht beurteilen. Wie auch immer – der geringere ‚Schleuderfaktor‘ tut dem Thriller gut.
Hörspieltechnisch gesehen ist AMOKLAUF ein absolutes Profiwerk. Die Geräuschkulisse untermalt, ohne zu mächtig zu sein. Alles klingt natürlich, und die Hintergrundmusik passt. Dazu ein ganzer Haufen Sprecher, die sowas nicht zum ersten Mal machen. Keiner schwächelt, alle überzeugen.
Unterm Strich kein nervenzerfetzendes Hörspiel, aber eins, das spannend und bestens unterhält.
Bewertung:
Story: 8/10
Hörspielumsetzung: 9/10
Sprecher: 10/10