Rezension: ‚Cut and Run‘ von Madeleine Urban/Abigail Roux

Titel: ‚Cut & Run‘

dt. Titel: ‚Auf & Davon‘ (Ty &Zane), erscheint am 26. August 2013 auf Deutsch (eBook)

Autorinnen: Madeleine Urban und Abigail Roux

Sprache: Amerikanisch

Sprecher: Sawyer Allerde

Format: Hörbuch-Download von audible.de für € 9,95 im Flexi-Abo (ohne Abo €17,95)

Länge: 13 Std 18 min (ungekürzt)

Hörprobe

Inhaltsangabe:

Gegen ihren Willen werden die beiden FBI-Agenten Tyler Grady und Zane Garrett in Baltimore als Partner auf den sogenannten ‚Tri-State killer‘ angesetzt. Der Serienmörder hat in New York City mehrere Menschen umgebracht. Seine letzten Opfer waren zwei FBI-Ermittler, die sich mit den Morden befasst hatten. Jetzt wird es also persönlich.

Das gilt auch für Ty und Zane. So unterschiedlich wie Tag und Nacht, können sich die beiden von Anfang an nicht ausstehen. Als es aber immer gefährlicher wird und die beiden selbst in die Schußlinie des Killers geraten, müssen sie zusammenarbeiten und sich aufeinander verlassen. Dabei kommen die beiden Agenten sich näher, als es ihnen zunächst lieb ist.

Zum Hörbuch:

Zunächst ein wichtiger Hinweis!

Bei CUT&RUN handelt es sich um einen homoerotischen Krimi. Wer ein Problem mit dieser Thematik hat, der sollte hier umdrehen und nicht weiterlesen. Das ist allemal besser, als sich hinterher darüber aufzuregen und Gift und Galle zu spucken. Nur so als Ratschlag.

Immer noch da? Gut, dann kann es jetzt zur Sache gehen.

CUT&RUN ist das erste homoerotische (Hör)buch war, das ich je gelesen habe. Eine Freundin hatte mich während einer Diskussion herausgefordert, sowas mal zu lesen bzw. hören. Obwohl sie wusste, dass ich überhaupt nicht homophob bin, behauptete sie, diese Art von expressiver, unverblümter Mann-gegen/mit-Mann Erotik wäre mir mit Sicherheit zu viel. Ihre genauen Worte waren: „Das stehst du nicht durch!“ Nun, da lag sie falsch. Und schuldet mir den inzwischen 5. Teil der CUT&RUN-Serie, der gerade erschienen ist.

Man muss CUT&RUN in verschiedene Bereiche einteilen, um es bewerten zu können. Zumindest habe ich das automatisch getan.

1. Der Thriller-Plot

Ich kann es einfach nicht beschönigen: die Geschichte um den Tri-State-Mörder selbst ist ziemlich schwach und sehr dialoglastig. Die meiste Zeit wirkt die Ermittlung wie eine lahme Entschuldigung für die Liebesgeschichte zwischen Ty und Zane. Lange Zeit bleibt die Aufklärung des Falles eine eher lästige Nebensache, hatte keine großartig überraschenden Wendungen, und die Identität des Killers war mir längst klar, als es bei Ty und Zane endlich ‚klick‘ machte (die waren allerdings auch etwas…ähem…abgelenkt). Allerdings kommt es zu einigen schönen Action-Momenten, die wirklich gut geschrieben sind. Ty und Zane geben zwei sehr glaubwürde Helden ab, wenn es um Explosionen, Autojagden oder Schlägereien geht, und diese Passagen haben viel Schwung. Im letzten Drittel des Buches nimmt eben diese Action und auch die Spannung zu, und es gibt ein recht hübsches Finale.

Kritisch zu erwähnen sei hier noch, dass Roux/Urban keine Gelegenheit auslassen, ihren beiden Hauptfiguren bei einer Actionszene irgendwelche Verletzungen zuzufügen, die dann unweigerlich zu einer Pflegebedürftigkeit durch den Partner führen. In den USA nennt man dieses schriftstellerische Element ‚hurt/comfort‘, und auch wenn es mit Sicherheit den ‚Schwesterninstinkt‘ sowohl der beiden Agenten als auch den der weiblichen Leser hervorragend bedient, ist das doch arg überstrapaziert, besonders in Teil 1 der Serie.

2. Die Charaktere

Ty Grady und Zane Garrett sind der Grund, warum ich nicht nur das erste Buch ‚durchgestanden‘, sondern tatsächlich die ganze Serie in rascher Folge runtergehört habe. Gerade der erste Band hat ja viele Schwächen, auch was die literarische Qualität angeht. Aber glaubt mir, diese beiden Kerle machen es wett!

Da ist zum einen Ty, ein Ex-Marine, immer einen flappsigen Spruch auf den Lippen und ebenso nonchalant wie rebellisch. (Dass er ein Bild von einem Mann ist, muss ich hier nicht ausführlich erläutern, oder?) Anfangs geht sein schroffes, an Peinlichkeit grenzendes Gehabe einem auf die Nerven, wandelt sich aber zügig in Zuneigung um, je mehr man(n) ihn kennenlernt.

Zane ist zu Beginn der Serie das absolute Gegenteil: Schlipsträger, Bürotyp, introvertiert, und mit seiner arrogant-herablassenden Art gewinnt auch er nicht direkt Sympathiepunkte. Im Zuge der Geschichte finden wir aber nicht nur heraus, dass er ein gestandener Undercover-Agent ist, sondern auch eine Menge emotionales Gepäck mit sich rumschleppt. Das gibt ihm Tiefe und Abgründe und macht ihn zu einem faszinierenden Typen.

Und jetzt prallen diese beiden aufeinander. Eine wirklich interessante Dynamik entwickelt sich. Es wird gedroht, gezickt, sich geprügelt und sich zusammengerauft. Und schließlich wird miteinander… Nun ja. Auch das muss ich nicht näher erläutern.

Mögen beide auch manchmal überzeichnet sein, so sind sie doch authentisch. Wer sich ein bisschen mit dem Thema ‚homoerotische Romane‘ befasst, wird sie als perfekte Archetypen des Genres zu schätzen wissen: außen hart, innen weich, und bei aller umwerfenden Physis zu wahrer Liebe fähig. Sie sind interessant und sympathisch und tough und wachsen einem unweigerlich ans Herz. So sehr, dass ich auf jeden Fall wissen wollte, wie’s weitergeht.

3. Die Homoerotik

Gebt es zu: Das ist der Teil, den ihr eigentlich wissen wolltet, oder? Kann ich verstehen. Macht einen ja auch neugierig.

Nun, Erotik macht erwartungsgemäß einen großen Teil von CUT&RUN aus. Kaum ein Dialog zwischen Ty und Zane kommt ohne zweideutige Sprüche aus. So sehr, dass ich schon des öfteren aufgestöhnt habe, weil’s einfach etwas viel des Guten war. Und pro Buch der Serie kann man sich auf zwei bis vier deftig erotische Bettszenen einstellen. Die sind lang und ausführlich beschrieben, und man muss es mögen. Ich selbst brauchte schon ein wenig, um mich daran zu gewöhnen, dass es hier zwei Männer sind, die sich an die Wäsche gehen. Ich fand das keinesfalls abstoßend – nur seltsam, ungewohnt. Als ich das aber erst mal klar gekriegt hatte, bekamen diese Szenen tatsächlich eine knisternde Attraktivität. Sie sind jedenfalls äußerst lustvoll geschrieben – im wahrsten Sinne des Wortes.

Für mich absolut überraschend war, wie ‚männlich‘ diese Erotik daher kommt. Ich hatte Männer erwartet, die im Umgang miteinander sehr weiblich wirken, aber das war nie der Fall. Hier gehen zwei echte Kerle  in den Nahkampf, sowohl verbal als auch physisch, und da steigt die Raumtemperatur ganz schön an! Für meinen Geschmack hätte es letztlich weniger detailliert zugehen können, und das ganze Thema ‚Sex‘ war mir insgesamt zu aufgebauscht, aber wie gesagt – ich bin neu in dem Genre, und dieser Aspekt war für mich auch nicht das Entscheidende.

Womit wir zu Punkt 4 kommen:

4. Die Liebesgeschichte

Hier mag manch einer zusammenzucken, aber genau das ist CUT&RUN vor allem: eine Liebesgeschichte. Den Großteil der Bücher sind Ty und Zane damit beschäftigt, an ihrer Beziehung zu zweifeln, sich voneinander sowohl abgestoßen als auch angezogen zu fühlen, sich zu lieben und zu hassen. Nach und nach zerren sie die Traumata ihrer jeweiligen Vergangenheit ans Licht und versuchen, mit ihren so unterschiedlichen Persönlichkeiten zu Rande zu kommen. Jedes Buch hat auch immer wieder zum Thema, dass einer von beiden in Lebensgefahr gerät, und dann geht es um die Angst, sich zu binden, und damit einhergehend die große Angst vor Verlust und Alleinsein.

Ja, auch hier ist das ab und an alles etwas zu breit ausgewalzt. Die Autorinnen (Frauen, man merkt es überall) weiden sich geradezu daran, ihre Helden emotional und physisch durch die tiefsten Täler und wieder zurück zu schleifen. Man möchte die Jungs geradzu packen und sie anbrüllen: ‚Herrgott nochmal, jetzt sagt’s endlich und küsst euch!‘ Aber mal ehrlich – das ist ja gerade der Spaß an der Sache!

Noch eine Anmerkung zum Schreibstil:

Gerade der erste Teil hat mich öfters zum Jaulen gebracht, und ich hätte mir einen sorgfältigeren Lektor gewünscht. CUT&RUN ist kein literarischer Roman, aber Roux/Urban haben durchaus eine unverblümte, flotte Schreibe. Allerdings müssen sie furchtbar auf den übermäßigen Gebrauch von Adverbien, besonders am Satzende, achten. Jeder zweite endet auf -ly, und das fällt gerade in der Audioversion sehr auf.
Auch ein Problem ist die Unschärfe bei den Perspektivwechseln. Oft weiß man nicht, aus wessen Sicht gerade erzählt wird, Zane’s oder Ty’s, und das hätte man besser machen können. Das führt dazu, dass der Schreibstil von CUT&RUN im ersten Teil nicht mehr als Groschenromanqualität hat. Schade. Aber glücklicherweise zeigt sich schon der zweite Teil (‚Sticks & Stones‘) gerade in diesen Punkten deutlich verbessert.

Zum Erzähler:

Sawyer Allerde hat es nicht leicht. Stilistisch ist CUT&RUN nicht immer eine Glanzleistung, und dafür muss der Erzähler harte Kompensationsarbeit leisten. Auch Allerde kann die verwirrenden Perspektivwechsel nicht ganz ausbügeln, aber dafür findet er für Ty und Zane stimmlich eindrucksvoll ganz eigene Persönlichkeiten. Ty verleiht Allerde in Dialogen eine herrlich charmante Schroffheit, die in intimen Augenblicken eine Stein erweichende Zärtlichkeit und Verwundbarkeit bekommt. Zane dagegen hört sich distanzierter und unnahbarer an, was absolut seinem introvertierten Auftreten entspricht. Auch er bekommt in Ty’s Gegenwart allerdings einen sehr verletzlichen und unsicheren Unterton. Diese Nuancen meistert Allerde in den vielen, vielen Dialogen ganz hervorragend.

Die erotischen Szenen spricht Allerde sehr souverän. Es kann nicht einfach sein, so explizite Texte so natürlich vorzutragen und dem Ganzen auch noch einen knisternden Funken zu verpassen. Bei CUT&RUN ist das für diesen Erzähler überhaupt kein Problem.

Fazit:

Mit Sicherheit nicht jedermanns Sache und letztendlich nur für Fans des m/m suspense zu empfehlen – oder für solche wie mich, die Spaß daran haben, auch mal etwas Ungewöhnliches und Umstrittenes zu testen. Wer einen Thriller erwartet, der wird sehr enttäuscht sein. Wer prickelnde Liebesgeschichten mit starken Charakteren mag, der ist hier richtig.

Was homoerotische Romane angeht, so hat man es hier offensichtlich mit einem der Schmuckstücke des Genres zu tun. CUT&RUN bietet trotz stilistischer Schwächen einen passablen Plot und – vor allem – zwei spannende, komplexe Hauptfiguren, deren gemeinsame Entwicklung genug Potential hat für etliche Sequels. Ja, sicher, hier geht es auch um Sex. Aber viel mehr noch geht es um zwei völlig gegensätzliche Menschen, die sich unter gefährlichen Umständen  ineinander verlieben und die sehr viel Lehrgeld bezahlen müssen, bis sie damit umgehen können.

Bewertung: 6/10

Webseite von Abigail Roux: http://www.abigailroux.com/

Webseite von Madeleine Urban: http://madeleineurban.livejournal.com/

‚Cut & Run‘ als Hörbuchschatz beim audible.de Hörbuchblog, vorgestellt von Monika De Giorgi

Die Bände der Serie:

           

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