< Titel: Symptoms Of Being Human
Autor: Jeff Garvin
Format: Hörbuch
Sprache: Amerikanisch
Sprecher: Tom Phelan
Verlag: Harper Audio
erschienen: 02.02.2016
Länge: 07:47 Std., ungekürzt
Das Hörbuch ist als Download bei audible.de erhältlich, und zwar HIER. Es kostet im Flexi-Abo € 9,95 (regulärer Preis € 22,95). Eine Hörprobe findet ihr ebenfalls auf der Produktseite von audible.
Inhaltsangabe:
Riley Cavanaugh is many things: punk rock. Snarky. Rebellious. And gender fluid. Some days Riley identifies as a boy and others as a girl. But Riley isn’t exactly out yet. And between starting a new school and having a congressman father running for reelection in über-conservative Orange County, the pressure – media and otherwise – is building up in Riley’s life.
Zum Hörbuch:
Riley, die aus der Ich-Perspektive erzählende Hauptfigur dieses YA-Romans, ist gender fluid. Wisst ihr, was das ist? Bevor ihr jetzt alle super aufgeklärt „ach, klar“ sagt und abwinkt, sollten wir den Begriff dennoch klären. Denn SO klar ist das vielen dann doch nicht, zumal es im Deutschen bisher keine passende Übersetzung gibt. „Gender fluid“ lässt sich aber auf Deutsch umschreiben: Solche Menschen sind biologisch eindeutig einem Geschlecht zugeordnet, empfinden ihre geschlechtliche Identität allerdings als fließend. Sie fühlen sich im Wechsel mal männlich, mal weiblich – oder als ein Geschlecht irgendwo dazwischen auf dem Spektrum. Das Entscheidende ist der immer wieder auftretende Wechsel, der mehrmals täglich aber auch seltener und in verschiedenen Gewichtungen auftreten kann.
Die Hauptfigur ist gender fluid
Riley also ist gender fluid und empfindet sich mal als Junge, mal als Mädchen. Das passiert meist öfters pro Tag und ist für Riley nicht einfach. Auch nicht einfach ist es, dass Riley das Kind eines bekannten Politikers ist, der – zumindest regional – in der Öffentlichkeit steht. Wir erfahren auch, dass Riley schon mal so etwas wie einen Nervenzusammenbruch hatte und deswegen in einer Klinik war. Jetzt steht der erste Tag in einer neuen Schule an – und der Beginn einer neuen Phase in Riley’s Leben.
Die Erzählung ist „geschlechtsneutral“
Inzwischen dürfte euch übrigens aufgefallen sein, dass ich immer „Riley“ sage und mich darum drücke, stattdessen ein Pronomen zu benutzen. Natürlich zum einen deshalb, weil Riley eben gender fluid ist, und weder „er“ noch „sie“ wirklich passen würde. Zum anderen, weil Jeff Garvin selbst das ganze Buch über offen lässt, welches biologische Geschlecht Riley von Geburt an hat. Es gibt auch keine Szenen, in denen Riley von den Eltern, Lehrern oder irgendjemand anderem als Sohn oder Tochter, als Junge oder Mädchen identifiziert wird. Auch der Name „Riley“ ist geschlechtsneutral. Das ist ja eigentlich perfekt so. Es macht das Reden über Riley nur etwas umständlicher, und ich wünschte, wir hätten im Deutschen – so wie das in englischsprachigen Ländern schon entwickelt wird – Pronomen, die ich passend benutzen könnte.
Hinterfragung der (eigenen) binären Denkweise
Tatsächlich habe ich mich auch das ganze Buch über dabei erwischt, wie ich auf den Moment gewartet habe, wo sich herausstellt, ob Riley als Junge oder Mädchen geboren wurde – und mich gleichzeitig dafür gescholten. Denn warum ist das das eigentlich wichtig? Ist es doch gar nicht. Nicht, wenn tatsächlich viel wichtiger als das Geburtsgeschlecht ist, womit man sich identifiziert, wer man tatsächlich ist! Und erst recht, wenn diese Identifikation immer mal wechselt. Da müssen wir alle noch viel umlernen, nicht immer in diesen binären Strukture zu denken. Auch wenn man sich für tolerant und aufgeklärt hält, ist das gar nicht so einfach.
Der Weg zum coming out
Zurück zu Riley. Der Neuanfang in der neuen Schule ist mit viel Aufregung und Druck verbunden, aber auch mit einer neuen Freundschaft: Riley findet erstaunlich empathische Mitschüler, die zu echten Freunden werden, und über sie landet Riley sogar in einer wundervollen Selbsthilfegruppe. Natürlich gibt es auch Gegenwind und Anfeindungen. Vor allem aber gibt es eine neue Vorbildrolle für Riley: im Internet findet Riley sich plötzlich in der Position des Beraters für andere Kids wieder, die Probleme mit ihrer Identität und mit ihrer Umwelt haben. Das führt wiederum dazu, dass Riley’s gender fluidity aufzufliegen scheint – denn so unglaublich das auch klingen mag: Außer Riley’s Therapeut weiß davon niemand. Riley zieht sich neutral an und hat den Eltern nie davon erzählt. Natürlich kommt es zum Moment der Wahrheit, alles kommt ans Licht. Ob das gut oder schlecht ausgeht für Riley, müsst ihr selbst sehen.
Eine Art Lehrbuch
Jeff Garvin’s Roman ist auf jeden Fall wichtig und leistet Aufklärungsarbeit. Das hat aber auch zur Folge, dass Riley’s Geschichte etwas lehrbuchmäßig daherkommt. Es werden typische Schritte abgearbeitet, es kommt zu typischen Situationen mit Charakteren, deren Reaktionen auf Riley ein Spektrum bilden, aber ein stereotypisches: Da sind die ahnungslosen Eltern, die mobbenden Highschoolbullies, die super verständnisvollen Freunde… Wenig Grauzonen, keine Ambivalenz. Es wirkt eben ein bisschen wie aus einem Katalog, oder aus einer Gebrauchsanweisung.
Zum Sprecher:
Tja. Wenn ich eine Stimme für dieses Hörbuch ausgesucht hätte, wäre es idealerweise eine gewesen, bei der man nicht sicher ist, ob ein Mann oder eine Frau dahintersteckt. Tom Phelan dagegen hört sich definitiv männlich an – auch wenn der transgender US-Schauspieler sich als „non-binary“ identifiziert, also als weder weiblich noch männlich, sondern auf dem Spektrum dazwischen. Phelan bringt zwar über die Sprachmelodie schon mal einen Hauch Weiblichkeit in Riley’s Ich-Erzählung, aber im Kopf denkt man immer „er“.
Am Vortrag selbst ist wenig auszusetzen – ein bisschen zu wenig emotional vielleicht, nicht ganz mit der gebürenden Dramatik. Auch wenn ich den Einsatz eines non-binary Sprechers gerade für dieses Buch prinzipiell toll finde – stimmlich hätte ich es mir neutraler gewünscht.
Fazit:
Wer wissen möchte, was es bedeutet, als Teenager gender fluid zu sein, für den ist Jeff Garvin’s Roman die richtige Aufklärung. Und ein Mutmacher für alle Kids wie Riley, die ihr coming out bestehen und in der Schule überleben müssen. „Symptoms of being human“ stellt auch – vor allem durch die geschlechtsneutrale Perspektive – die eigene, rein binäre Denkweise auf die Probe und ist ein Plädoyer für eine neue, spektrale Sicht auf sexuelle Identität. Junge oder Mädchen? – Diese Frage war gestern. Es ist viel komplexer geworden.
Dass dieser YA-Roman aufgrund seiner Mission etwas lehrbuchmäßig und konstruiert wirkt, macht die Sache ein bisschen trockener als man denken sollte. Aber das ist eben immer ein bisschen die Gefahr, wenn man jemandem etwas beibringen möchte.
Bewertung:
Hörbuch: 7 von 10 Punkten
Sprecher: 6 von 10 Punkten
2 Gedanken zu “Rezension: „Symptoms Of Being Human“ von Jeff Garvin”