Rezension: „Die Blutmauer“ von Raimon Weber

raimon-weber_die-blutmauer_netgalleydeTitel: Die Blutmauer
Autor: Raimon Weber
Sprache: Deutsch
Format: eBook/Taschenbuch
Verlag: Ullstein eBooks
erschienen: 14.10.2016 (eBook), 18.11.2016 (Taschenbuch)
Länge der Printausgabe: 272 Seiten

Inhaltsangabe:

Potsdam im Dezember 1989. Seit wenigen Tagen ist die Mauer geöffnet. Die Bürger der DDR verlassen ihr Land in Scharen. Inmitten der zerfallenden Strukturen versucht Martin Keil, Hauptmann der Kriminalpolizei, eine Mordermittlung zu leiten: Am Ufer des Potsdamer Jungfernsees wurde die nackte Leiche eines hochrangigen Lokalpolitikers gefunden. Er wurde zusammengeschlagen und erdrosselt. Hilfe erhofft sich Martin Keil von der Gerichtsmedizinerin Anne Rösler, mit der er ein Verhältnis hat. Beide sind in einem staatlichen Heim aufgewachsen. Was Keil nicht weiß: Der Täter hat sich bereits sein nächstes Opfer gesucht. Und es gibt Videoaufnahmen von der Tat. Keil traut seinen Augen kaum, denn er ist sich sicher, den Mörder zu erkennen …

Zum Buch:

Zwei Dinge machen mich auf dieses Buch neugierig: der Autor und das Setting.

Raimon Weber – der von „Monster 1983“ und „Porterville“

Raimon Weber ist mit dafür verantwortlich, dass ich Halloween größtenteils mit dem Hörspiel „Monster 1983“ auf den Ohren verbracht habe, das er zusammen mit Ivar Leon Menger und Annette Strohmeyer geschrieben hat. Als ich DIE BLUTMAUER entdecke und seinen Namen als Solo-Autor darauf, bin ich direkt angefixt.

Der Backdrop: die DDR in Auflösung

Außerdem spielt DIE BLUTMAUER im Dezember 1989 in Potsdam, also direkt nach dem Mauerfall. Eine interessante Zeit, an die ich mich noch gut erinnere, und deren Umbruchstimmung und Unsicherheit für einen Thriller spannenden Nährboden liefern sollte.

Und so ist es dann auch. Als Hauptmann Martin Keil, Kriminalkommissar bei der Potsdamer Volkspolizei, zu einem Tatort direkt an der nicht mehr bewachten Mauer gerufen wird, ermittelt er in einem Umfeld unklarer Zuständigkeiten, fragwürdiger Autorität und politischer Zersetzung. Während die einen sich ans alte Regime klammern, geht bei den anderen die Angst um. Martin Keil selbst, der einfach nur seinen Job als Mordermittler erledigen will, weiß auch bald nicht mehr, wem er vertrauen kann. Die Sorge vor abgehörten Telefonen und staatlichen Spitzeln sorgt für allgegenwärtige Paranoia.

Täter, Opfer und Ermittler brausen im Trabant, Wartburg oder Lada durch die Gegend. MITROPA-Tankstellen, DDR-Mentholzigaretten und chronisch veraltete Osttechnologie sorgen für einen bitter nostalgischen Touch. Die Suche nach einer Möglichkeit, eine VHS-Kassette abspielen zu können, hat etwas beinahe Rührendes.

Spannend, aber der Schluss hapert

Der Plot ist für einen Thriller nicht temporeich genug, geht aufgrund seiner recht bestialischen Morde aber als heftiger Krimi durch. Ziemlich geradelinig wird mit jeder Leiche mehr und jedem weiteren Ermittlungsschritt klarer, worum es geht. Kurz vor Schluss, als Martin Keil die Identität des Mörders aufdecken kann, klappt einem dann kurz die Kinnlade runter. Der Effekt währt nur leider nicht lang. Zum einen, weil geübte Thrillerleser an dieser Stelle wohl schon geahnt haben, welcher der Verdächtigen am besten in Frage kam. Zum anderen, weil es dann hanebüchen und überhastet wird. Der Pistolenkugelhaltige Showdown ist wirklich spannend, aber der Epilog fühlt sich an, als hätte Weber eine Deadline einhalten und das alles irgendwie schnell noch zusammenraffen müssen. Schade. Da wäre mehr drin gewesen.

Figuren mit fehlendem i-Tüpfelchen

Für die Figuren gilt das Gleiche. An und für sich ist Martin Keil recht sympathisch, ein beruflicher Idealist, und Weber gibt ihm aufgrund seiner Waisenkind-Vergangenheit emotionale Probleme, die für Tiefe sorgen und Keils Beziehung zur smarten Gerichtsmedizinerin Anne Rösler interessanter gestalten sollen. Das gelingt aber nur bedingt. Muss dann wirklich noch aus dem Nichts eine wolkenartig auftretende Depression hinzukommen? Und die Nummer mit dem Waisenkindtrauma wirkt einfach etwas überkonstruiert. Auch hier: Guter Vorsatz, aber in der Umsetzung fehlt die Substanz, die Balance, das gewisse Etwas.

Fazit:

DIE BLUTMAUER von Raimon Weber ist ein solider, mit brutalen Morden gespickter Krimi, dessen Reiz vor allem in seinem Setting besteht. Die zerfallende DDR als Hintergrund, sind knatternden Zweitakter und das toxische SED-Gefühl eigentlich spannender als der Fall selbst. Der kippt nach einer überraschenden Wende in ein überstürztes Ende ab, dem die Glaubwürdigkeit fehlt. Überhaupt ist das das vorherrschende Gefühl: eigentlich ein ganz guter Krimi, aber irgendetwas fehlt immer – mehr Details, mehr Gefühl, mehr Überraschungsmomente, mehr Dimension. Spannende Unterhaltung, unterm Strich jedoch Durchschnitt.

Bewertung: 6 von 10 Punkten

Disclaimer: Dieses Buch wurde mir vom Ullstein Verlag über netgalley.de im Gegenzug für meine ehrliche Meinung zur Verfügung gestellt.

2 Gedanken zu “Rezension: „Die Blutmauer“ von Raimon Weber

  1. freiraum01 21. November 2016 / 14:57

    Hi hi,

    wusstest du, dass American Gods als neue TV Serie in den Staaten gerade verfilmt wird?

    Gruß Frank

    • papercuts1 21. November 2016 / 15:38

      Das ist eine rhetorische Frage für einen Gaiman-Fan wie mich, oder? Natürlich wusste ich das!

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