Rezension: ‚The Martian‘ von Andy Weir

The Martian audioTitel: ‚The Martian‘

Autor: Andy Weir

Format: Hörbuch

Sprache: Amerikanisch

Sprecher: R.C. Bray

Anbieter: Podium Publishing

erschienen: 22. März 2013

Länge: 10 Std 53 min (ungekürzt)

Das Hörbuch gibt es als Download by audible.de zum Preis von € 9,95 im Flexi-Abo (regulärer Preis € 22,95)

Beschreibung:

Während eines Sandsturms muss die Crew der ‚Hermes‘ fluchtartig den Planeten Mars verlassen – und lässt dabei Astronaut Mark Watney zurück, der sicher für tot gehalten wird. Aber Mark ist quicklebendig und stellt sich unermüdlich dem Kampf ums Überleben. Während auf der Erde noch niemand ahnt, dass auf dem Mars ein einsamer ‚Marsmensch‘ herumspaziert, arbeitet Mark auf seine einzige Überlebenschance hin: Solange durchzuhalten, bis die nächste Marsmission den roten Planeten erreicht – in ein paar Jahren…

Zum Hörbuch:

“Maybe I’ll post a consumer review. “Brought product to surface of Mars. It stopped working. 0/10.”
― Andy Weir, The Martian

MacGyver trifft Robinson Crusoe trifft John McClane. Auf dem Mars. So würde ich THE MARTIAN zusammenfassen, sollte ich es in zwei Sätzen tun müssen.

Als die Geschichte beginnt, ist die große Aufregung eigentlich schon wieder vorbei. Der Sandsturm, der Schuld an dem ganzen Dilemma ist, hat sich gelegt. Die ‚Hermes‘ ist mit fünf statt sechs Astronauten auf dem Rückweg zur Erde, und man trauert um den vermeintlichen toten Astronauten Mark Watney. Mark, der aufgrund glücklicher physikalischer Zufälle noch am Leben ist, hält sich derweil nicht lange mit Wehklagen oder Schuldzuweisungen auf, sondern macht das, was er offenbar am besten kann: Probleme erkennen und sie lösen.

Die NASA sucht ihre Leute gut aus, das merkt man sofort. Mark ist nicht nur Botaniker und Ingenieur (beides unabdingbar für sein Überleben), sondern auch ein unglaubliches Stehaufmännchen. Was immer der Mars ihm auch für eine ‚Scheiße hinwirft‘ (O-Ton Mark, nicht ich!) – er begegnet allen Unwägbarkeiten mit Pragmatismus, Erfindungsreichtum und und stoischem Nach-Vorne-Schauen.

Und Humor. Es ist unglaublich, wie viel ich gegrinst und tatsächlich laut gelacht habe beim Hören. Ob es um die furchtbare Disco-Musik von Mark’s Kommandantin geht, um das ‚total männliche‘ Tragen von Windeln oder die grünhäutige Marsgöttin, der Mark beibringen möchte, was das menschliche ‚love-making‘ bedeutet – der Humor in THE MARTIAN ist auf den Punkt, hemdsärmelig und unglaublich sympathisch. Das hat zwischendurch natürlich auch mit comic relief zu tun, aber noch viel mehr mit der Hauptperson.

Ein Großteil der Geschichte besteht nämlich aus Mark’s eignen Log-Einträgen. Also sowas wie ein Tagebuch. Denn selbst wenn er sein Abenteuer auf dem Mars nicht überleben sollte, geht er davon aus, dass die nächste Mars-Mission seine Eintragungen finden und auswerten wird. So bekommen wir nicht nur eine Menge persönlich geprägter Sprüche von Mark, sondern auch die minutiöse wissenschaftliche Aufzeichnung all seiner Aktivitäten, untermalt mit reichlich ‚F‘-Wörtern.

Mathematik, Physik, Chemie, Biologie und Weltraumtechnik – THE MARTIAN haut uns das um die Ohren, allerdings in der erdverbundenen und gottseidank wenig abstrakten Art von Mark Watney. Eine Menge Zahlen jongliert er bei der Berechnung von Sauerstoffmengen, Gefriertemperaturen, Bodenfläche und ‚Sols‘ (so nennen sich die Tage auf dem Mars). Wenn man will und gut aufpasst, ist alles sauber nachvollziehbar und verständlich. Ich gehe sogar davon aus, dass das Meiste wissenschaftlich korrekt ist (weiß es aber nicht und kann das als Mathe-Hirni auch nicht überprüfen.) Durch den sympathischen Erzählton wird es auch nie wirklich langweilig. Es ist, als würde man eine Sondersendung von ‚MacGyver auf dem Mars‘ schauen. Aber ich gebe zu, dass streckenweise Längen aufkommen und es langweilig zu werden droht.

Bevor das passiert, reist Andy Weir aber immer wieder das erzählerische Steuer rum. Er hat das wirklich raus! Gerade fängt man an, eine unzufriedene Schnute zu ziehen – da eröffnet Weir plötzlich eine neue Erzählperspektive, bringt frische Figuren ins Spiel oder lässt ganz einfach Mars aufmucken und stürzt dessen tapferen Bewohner in neuerliche Todesgefahr. Perfektes Timing, und zwar das ganze Hörbuch hindurch.

Was mir ein bisschen fehlt, sind die ganz großen Gefühle und Gedanken. Mark lässt sich nicht unterkriegen, flucht zwar öfters rum oder denkt über seine Überlebenschancen nach, aber richtige Angst oder gar Verzweiflung zeigt er nie. Klar, die NASA schickt keine Hosenschisser ins Weltall. Auch im wahren Leben dürfen nur die Belastbarsten in die Rakete. Wie gesagt – John McClane im Raumanzug.

Aber ein bisschen mehr Emotionalität wünsche ich mir manchmal. Wenn man so allein ist, dann kommt man doch unweigerlich ins Grübeln. Da philosophiert man doch automatisch. Über Einsamkeit. Über das Leben und den Tod. Ich würde das jedenfalls. Mark nicht. Der redet sehr realistisch über seine Überlebenschancen und schaut sich bei Langeweile 70er-Jahre Serien auf dem Bordcomputer an.

Will man tiefere Bedeutung sehen, muss man sich an die Fragen über Verantwortung, Opferbereitschaft, Gehorsam und Schuld halten, die ganz leise zwischen den Zeilen stehen und nicht ausgewalzt werden. Wie viele Menschenleben darf man aufs Spiel setzen, um einen Einzelnen zu retten? Wieviel Geld in eine scheinbar ausweglose Rettungsaktion investieren?

Über den Verlauf der Geschichte verrate ich gar nichts. Das würde eure Neugier dämpfen und die Spannung nehmen. Auch nicht, ob Mark überlebt oder nicht. Seid allerdings gefasst, dass ihr das Hörbuch in den letzten 40 Minuten nur noch schwer aus den Ohren nehmen könnt.

Zum Sprecher:

Nicht von ungefähr wurde R.C. Bray’s Lesung von THE MARTIAN gerade für einen Audie Award nominiert. Das ganze Buch strotzt einfach nur vor Glaubwürdigkeit und hört sich ganz nah am echten Leben an. Mark kommt genauso sympathisch rüber, wie der Text das suggeriert. Ein Mensch ohne Schnörkel – eine feste, kerlige Stimme, auf die man sich verlassen kann. So hört sich das an, wenn ein kluger Typ nicht nur die Nerven behält, sondern auch noch den Schalk im Nacken hat.

Die gleiche Authentizität gilt für die anderen Figuren. Ob es um die toughe Hermes-Kommandantin, den indischen NASA-Ingenieur, die aufgeregte Pressereferentin oder die mexikanischen und deutschen Crew-Kameraden geht – Bray hat sie alle im Griff, ohne dass die Akkzente jemals künstlich klingen. Das ist echtes Talent.

Alles, was Bray von sich gibt, kaufe ich ihm ab. Natürliche Bodenständigkeit – das braucht dieses Hörbuch, und bekommt sie von diesem Sprecher auch. 1 A mit Sternchen.

Fazit:

Eine Mars-Robinsonade mit viel Wissenschaft, Abenteuer, Spannung, Drama und unerwartet viel Humor. Mark Watney ist ein einsamer, aber rundum überzeugender Held, der mit seiner sympathischen Art und seinem Erfindungsreichtum alle Herzen gewinnt. Daher möchte das Hörbuch am liebsten in einem Rutsch zu Ende hören und unbedingt wissen, ob Mark überlebt. Er trägt die Geschichte über weite Teile allein und bringt uns eine Menge aus dem Reich der Naturwissenschaften bei. Drohende Längen wendet Weir mit gut getimter Dramatik und wechselnden Erzählperspektiven ab. Etwas mehr Tiefgang könnte die Geschichte haben, lässt sich aber so gut und knackig weghören, dass das nicht schlimm ist.

Sehr realistische Science-Fiction mit hohem Abenteuerfaktor! Wer sich vor dem hohen wissenschaftlichen Anteil nicht scheut, wird diese Geschichte lieben. Erst recht, wenn sie von einem Sprecher vorgetragen wird, dem man jedes Wort und jede Figur glaubt. Ein erstaunlicher Erstling von Andy Weir.

Mission accomplished!

Bewertung:

Geschichte: 8 von 10 Punkten

Sprecher: 10 von 10 Punkten

Andy Weir findet ihr auf Facebook oder hier: http://www.andyweirauthor.com/

4 Gedanken zu “Rezension: ‚The Martian‘ von Andy Weir

  1. Jörg Weese 14. September 2015 / 20:35

    Wenn ich darf (ja, es ist Werbung…), würde ich hier gerne auf mein aktuelles Interview mit Andy Weir (er lobt darin auch R.C. Bray mehrfach) hinweisen, das jetzt endlich auch in deutscher Sprache nachzulesen ist: http://blog.hillvalley.de/2015/09/spuren-auf-dem-mars/ – vielen Dank für die Aufmerksamkeit ;) & herzliche Grüße aus Nürnberg, Jörg

    • papercuts1 17. September 2015 / 19:15

      Hallo Jörg,

      na, es wäre schön gewesen, wenn du nicht nur einfach deine ‚Werbung‘ hinterlassen hättest sondern auch etwas zu meinen Gedanken zu ‚The Martian‘ gesagt hättest. Habe denselben Kommentar von dir auch schon auf dem Hörbücher-Blog gesehen.
      Aber weil ich ‚The Martian‘ so wahnsinnig toll finde und das Interview interessant ist, lasse ich das mal etwas grummelnd so stehen. Nächstes Mal aber nicht nur Werbung streuen sondern auch tatsächlich kommentieren, roger?

      Gruß,

      Ute

      • Jörg Weese 17. September 2015 / 20:15

        Liebe Ute,
        danke und „check“. Nothing for ungood ;) Habe dein Blog jetzt mal auf meine Leseliste gesetzt, nachdem ich mich jetzt auch zu einem Audible-Abo entschlossen und das Gefühl habe, wir könnten einen ähnlichen Geschmack besitzen! Dem Lob für R.C. Bray kann ich nur zustimmen, gerade auch weil er einen bei den wirklich manchmal anstrengenden „Science“-Teile dieser Science Fiction trotzdem „dranbleiben“ und nicht „vorspulen“ lässt. Ich habe mir inzwischen auch die deutsche Fassung geholt und werde demnächst einen zweiten Durchlauf starten, bevor der Film rauskommt – allerdings haben mich die ersten paar Minuten des deutschen Sprechers (Richard Berenberg) beileibe nicht so überzeugt wie die des Originals…
        LG
        Jörg

      • papercuts1 19. September 2015 / 15:40

        Hallo Jörg,

        nichts für ungut – in Ordnung! Und ich kann dir nur zustimmen: R.C. Bray hat die wissenschaftlichen Passagen zu reiner Unterhaltung gemacht. Obwohl ich Richard Barenberg auch für einen ordentlichen Sprecher halte, kann er R.C. Bray beim ‚Marsianer‘ nicht das Wasser reichen. Barenberg hat weniger Charme, nicht so eine hemdsärmelige ‚Charakterschnauze‘ wie Bray. Aber zum Auffrischen vor dem Film ist das Hörbuch bestimmt gut geeignet.

        Gruß,

        Ute

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