Rezension: ‚The Art Forger‘ von B.A. Shapiro

Titel: ‚The Art Forger‘

Autorin: B.A. Shapiro

Sprache: Amerikanisch

Sprecherin: Xe Sands

Format: Hörbuch-Download von audible.de für € 9,95 im Flexi-Abo

Länge: 10 Std (ungekürzt)

Hörprobe

Inhaltsangabe:

Claire Roth ist eine junge Malerin und kämpft in Boston um berufliche Anerkennung und finanzielles Überleben. Unfraglich hat sie Talent, ist durch eine vergangene Liebesbeziehung zu ihrem Mentor und deren unglückliche Folgen jedoch künstlerisch in Verruf geraten. Sie hält sich mit dem Anfertigen von Reproduktionen über Wasser und holt sich persönliche Erfüllung beim Unterrichten jugendlicher Straftäter in Malerei.

Da macht ihr der Galerist Aidan Markel ein verführerisches, aber illegales Angebot: Sie soll ein berühmtes Gemälde von Degas fälschen, das als verschollen galt, seit es 1990 bei einem spektakulären Kunstraub aus einem Bostoner Museum gestohlen wurde. Im Gegenzug winken ihr viel Geld und eine eigene Ausstellung ihrer Werke in Markel’s renommierter Galerie. Als der Degas schließlich in Claire’s Studio steht und sie sich an die Arbeit macht, kommen der Künstlerin Zweifel…

Zum Hörbuch:

Da dachte ich, ich habe ein unbekanntest Juwel von einem Buch entdeckt, das noch kaum einer kennt, und jetzt schießt THE ART FORGER auf der NYT Bestsellerliste nach oben und ist einer der November-Tipps von Oprah Winfrey persönlich! Nun ja. Hierzulande zumindest dürfte das ‚unbekannt‘ noch zutreffen, bevor THE ART FORGER in deutscher Übersetzung zu haben ist.

Verführerisch an diesem Hörbuch sind gleich mehrere Aspekte: Da ist das Thema ‚Malerei‘ samt zugehörigem Kunstbusiness. In einen Roman verpackt, der auch für den Unversierten in dieser Thematik geeignet ist, kommt das ja nicht allzu oft vor. Ebenfalls steckt eine Liebesgeschichte (oder auch mehrere) in THE ART FORGER, die das Element des Betrugs wunderbar aufgreift und variiert. Und zuguter Letzt hat B.A. Shapiro einen spannenden Bezug zur Wirklichkeit geschaffen: Der besagte Kunstraub hat sich 1990 im Gardner Museum in Boston tatsächlich ereignet, und er gilt bis heute als einer der spektakulärsten, unaufgeklärten Kunst-Kriminalfälle überhaupt.

Viel Neugier begleitet mich also beim Hören. Für mich kommt als persönlicher Anreiz noch dazu, dass die Sprecherin Xe Sands ist, von deren Talent ich mich in THE SILENCE OF TREES und CATCH OF THE DAY bereits überzeugen konnte. Wie auch bei diesen beiden Hörbüchern, macht der Austausch mit Xe über Twitter während des Anhörens von THE ART FORGER besonders Spaß.

Der Einstieg in dieses Buch hilft, wenn man sich etwas für Malerei interessiert, aber eine Voraussetzung ist es nicht, um THE ART FORGER zu mögen. Tatsächlich halte ich den Roman bestens dafür geeignet, auch Kunstmuffel zu Museumsbesuchen zu motivieren. Hier kann man Neues entdecken, ohne sich ungebildet oder minderwertig gegenüber ‚Kennern‘ zu fühlen.

Claire Roth, die Hauptfigur, macht es einem noch leichter. Aus der Ich-Perspektive erzählt, fühlt man sich dieser jungen Frau rasch näher. Ihre Liebe zur Malerei springt über. Claire verbindet Leidenschaft für das, was sie tut, mit der sehr sympathischen Eigenschaft, menschlich zu sein und daher Fehler zu machen. Als Hörer ist man ab und an versucht, sie lauthals vor Dummheiten zu warnen. Man sieht Ärger und Kummer herauf ziehen, bevor Claire es tut und schüttelt genauso oft den Kopf über sie wie man sie tröstend in den Arm nehmen möchte. Die Chemie stimmt also.

Schön, dass Shapiro die Geschichte in unterschiedlichen zeitlichen Ebenen spielen läßt. Das hat immer einen besonderen Reiz, wenn der Zusammenhang stimmig ist – was hier der Fall ist. Wir verfolgen die Haupthandlung in der Gegenwart, während wir stückchenweise Rückblicke in Claire’s problematische Beziehung zu Isaac, ihrem Mentor, erhalten. Das ist wichtig, um Claire’s Schwierigkeiten in der Kunstszene zu verstehen. Dazu kommen Briefe von Isabella Stewart Gardner, die uns ins späte 19. Jahrhundert entführen und ebenfalls wichtige Hinweise für die Gegenwart liefern.

Shapiro verbindet aber nicht nur unterschiedliche Zeitebenen, sondern mixt einen entzückenden Genre-Cocktail zusammen. THE ART FORGER ist tatsächlich ein Kunstkrimi samt Liebesgeschichte und Exkurs in die alles andere als ehrenhaft anmutende Welt von Malern, Kunsthändlern und Museen. Schein und Sein, Betrug und wirtschaftliche Interessen. Große Egos, Besessenheit und – beinahe als Nebensache – die pure, ehrliche Leidenschaft für die Malerei. Das sind die schillernden Zutaten der Geschichte. Und nebenher macht THE ART FORGER uns auch noch mit den technischen Aspekten des Gemälde-Fälschens vertraut. Meinen Pizza-Ofen sehe ich jedenfalls mit ganz neuen Augen.

Es gibt kleine Schönheitsfehler im Roman, die ich kurz ansprechen will. Einige der Nebenfiguren bleiben blass und leicht klischeehaft, was die starken Figuren in der Geschichte (Claire, Aidan, Isaac und Isabell) aber wettmachen. Probleme hatte ich damit, dass eine sehr attraktive Nebengeschichte, die sich in einer Jugendstrafanstalt abspielt, einfach fallen gelassen wird. Und auch der Schluss überzeugt mich nicht ganz. Der hübsch aufgebaute Spannungsbogen flacht am Ende zu früh ab. Das Ende ist mit Sicherheit realistisch ist, doch hätte mein Herz sich einen anderen Ausgang gewünscht. Es bleibt ein bitterer Beigeschmack zurück – von Shapiro allerdings gewiss so gewollt.

Fazit:

Ein Roman für Kunstfans, für Krimi-Mimis, für Romantiker und Freizeit-Detektive. Shapiro hat eine sehr attraktive Genre-Mischung stimmig zusammen gestrickt. Flüssig und ohne allzu großes Gehabe, aber dennoch sinnlich geschrieben, hat THE ART FORGER eventuell Folgen: Da die Geschichte einen tatsächlich stattgefundenen und nie aufgeklärten Kunstraub zum Aufhänger nimmt, wird sich so manch ein Leser beim Googlen wiederfinden, um mehr zu erfahren. Auch über Degas, über berühmte Fälscher und ihre Kopien, über Isabella Gardner, über das Museum in Boston. Wer will, kann in neue Horizonte vorstoßen. Oder nach der Lektüre mit neuem Wissen ausgestattet zumindest mal wieder in eine Kunstausstellung.

Die Hörbuchversion überzeugt mit Xe Sand’s gewinnender, Nähe schaffender Stimme. Doch mit Sicherheit ist auch die Druckversion uneingeschränkt zu empfehlen.

Zur Sprecherin:

Ich finde Xe Sands immer am besten in Ich-Erzählungen. Da kann sie ihre emotionale Involviertheit in eine Geschichte immer voll ausspielen. Man hört, dass sie Claire nahe ist. Besonders in den Passagen, wo es um den Degas geht und um den Schaffensprozess und die Aussagekraft der Gemälde, gibt Xe die Sinnlichkeit von Shapiro’s Wortwahl großartig wieder. Gleiches gilt für Claire’s restliche Gefühlspalette – Zweifel, Sarkasmus, Angst, Leidenschaft und junge Naivität.

Schön differenziert sie die Frauenstimmen. Isabella Stewart Gardner hört man die Weltgewandheit, Reife und Lebenslust ebenso an wie ihr fortschreitendes Alter. Dafür ist Claire’s Maler-Freundin Crystal schön zickig, und die Gefängniswärterin Kimberley ruhig und besonnen.

Bei den Männerstimmen gelingt das nicht ganz so gut. Grundsätzlich hat Xe das seltene Talent, auch als weibliche Sprecherin Männerstimmen ungewöhnlich attraktiv klingen zu lassen. Aidan’s sexy-düsteres Grollen lässt nicht nur Claire die Knie weich werden! Allerdings legt sie Aidan zu nah an Rick, Claire’s Freund, an. Die beiden kann man stellenweise stimmlich nicht gut auseinander halten.

Ein weiterer kleiner Kritikpunkt ist das Französisch. Xe, der authentische Akkzente immer wichtig sind, kommt mit französischen Namen nicht so gut klar. Und es ist etwas schade, dass man bei den Dialogen zwischen Gardner und Degas nicht einen netten kleinen französischen Einschlag zu hören bekommt. Andere Sprachen liegen ihr einfach besser.

Alles in allem ist das aber Jammern auf hohem Niveau. Die wichtigen Figuren vertont Xe bestens und mit genau der Leidenschaft, wie ich sie von ihr gewohnt bin.
Bewertung: 8/10

Website der Autorin: http://bashapirobooks.com/

Website der Sprecherin: http://www.xesands.com/

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