Autor: Peter Märkert
Sprache: Deutsch
Verlag: Universitätsverlag Dr. N. Brockmeyer
Format: Taschenbuch
Länge: 224 Seiten
Inhaltsangabe (amazon):
Der Leser wird Zeuge, wie Bewährungshelfer Windich in seinem Büro ermordet wird. Aber wer steckt dahinter? Die Mordkommission erhofft sich Hinweise von Mitarbeitern und Klienten. «Wir müssen sein Motiv verstehen», meint Hauptkommissar Kramer. Dagegen versucht der Täter jede Spur zu verwischen, die ihn belasten könnte und schreckt dabei auch vor einem weiteren Mord nicht zurück.
Zum Buch:
Der Beginn ist nicht unbedingt typisch: Aus Sicht des (nicht identifizierten) Mörders erleben wir, wie er seinem Opfer, dem Bewährungshelfer Windich, auflauert und ihn ersticht. Es ist eine geplante Tat, das wird anhand der Einblicke in die Überlegungen des Mörders ganz deutlich. Es geht um Rache, und wir bekommen ein paar diffuse Anhaltspunkte. Aber nichts ist klar, außer dass Windich am Ende sterbend auf dem Boden seines Büros liegt.
Dann wechselt die Perspektive. Erstaunlicherweise zu einem, den ich nicht erwartet hatte – Windich. Märkert dreht die Zeit ein wenig zurück, lässt uns teilhaben am letzten, offenbar typischen Arbeitstag des Bewährungshelfers. Wir lernen in den Gesprächen, die er führt, und aus seinen Gedankengängen einiges über ihn und seinen Job. Viel Frust schwingt da mit, viel Erfahrung, Reste von Idealismus und beginnende Kapitulation.
Märkert, der Autor, weiß ganz offensichtlich, wovon er spricht: Ein Blick in seine Biografie stellt klar, dass er selber mal an einem solchen Schreibtisch gesessen und sich mit solchen Gestalten auseinander gesetzt hat, von denen man anscheinend nur ab und an eine aus dem Sumpf der Straffälligkeit heraus ziehen kann.
Gerade fängt man an, sich zu fragen, wer hier eigentlich unser Mitgefühl verdient – die Straftäter oder ihr Bewährungshelfer – und sieht lauter Grauzonen, als die Zeit Windich einholt. Es ist gruselig, nun aus seiner Sicht zu erleben, wie der Mord geschah. Der richtige Name des Täters bleibt geheim.
Was folgt, ist die Aufklärung des Falles. Nicht mehr, nicht weniger. Durch die Augen etlicher Zeugen, Verdächtigen und des Ermittlers Kommissar Kramer wird der Tathergang aus allen Winkeln dargestellt. Als Leser hat man den Eindruck, sich durch Aussagen und Verhörprotokolle zu wühlen. Viele Dialoge mit nur den nötigsten Ausschmückungen prägen das Buch, und auch in der Gedanken- und Gefühlswelt der jeweiligen Erzähler begegnet uns unmissverständliche Sprache ohne Metaphorik. Es gibt Emotionen, es gibt innere Monologe, aber ohne erzählerische Zierdeckchen oder tiefenpsychologische Deutungen. Hier ist ein Mörder mit rohem emotionalem Motiv, und da sind die verunsicherten Zeugen und ein Sammelsurium an per se schon suspekten Verdächtigen. Basta. Kein Firlefanz.
Es hat etwas angenehm Klassisches an sich. Kein irrer Serienkiller. Keine schillernde Metropole. Keine heiße Hatz auf den Mörder. Märkert hat einen authentisch daher kommenden Kriminalfall im Ruhrpott genommen, und der Leser steht ihm bei der Aufklärung zur Seite. Für den einen mag das etwas langweilig sein. Heutzutage werden Thriller immer sensationeller, blutiger, abgründiger. Leichen stapeln sich, und die Täter sind perfide Bestien, die kaum noch menschliches an sich haben. SCHWEIGEN IST TOD ist das Gegenteil davon. Geduldig (obwohl das Tempo ganz allmählich anzieht), mit Blick aufs ermittlerische Detail, in sich überlappenden Perspektiven bezieht der Krimi seine Spannung komplett aus der Frage nach dem Mörder. Wer war es? Und warum? Darum geht es. Punkt. Und ich fand das überraschend fesselnd.
Etwas schade ist, dass der absolut sympathische Kommissar erst ein gutes Stück ins Buch hinein auftaucht und durch die Wechsel in der Erzählperspektive immer mal wieder aus dem Blickfeld gerät. Kramer ist ein echt sympathischer Typ, den ich gerne wiedersehen würde. Was ihn angeht, hätte ich dann auch gerne etwas mehr Ausschmückung gehabt, mehr bildhafte Sprache und Emotionalität. Aber Märkert bleibt auch in diesen Passagen seinem reduzierten Stil treu.
Neben dem reinen Kriminalfall gewährt Märkert auch einen intensiven Einblick in das Dilemma der ‚Bewährungshilfe‘. Das kann man – je nach Interesse an dem Thema – langweilig oder interessant finden. Für mich galt letzteres.
So vieles scheint bei dieser Arbeit fruchtlos: Straftäter mit psychischen Problemen, die ihre Medikamente nicht nehmen. Frisch aus der Haft entlassene ohne Job, die blauäugig mit der ebenso naiven Freundin eine Familie gründen. Solche, die nichts aus ihrer Erfahrung gelernt haben und offenbar auch nichts lernen wollen oder können. Dazwischen kurzes Aufblitzen von Hoffnung, von einem Klienten, der es schaffen will, und für den sich die ganze Arbeit lohnt. Es ist ein ernüchterndes Bild, das sich uns bietet. Ein Einblick in eine Welt, die nicht viel Hoffnung macht.
Am Schluss wartet Märkert dann doch noch mit so etwas wie ‚Action‘ auf, und der Täter wird entlarvt. Ich hatte das Rätsel da nicht gelöst und hatte deswegen Spaß. Wenn ich besser aufgepasst hätte, wäre mir die Identität des Mörders möglich gewesen. Vielleicht machen andere Leser es ja besser.
Fazit:
SCHWEIGEN IST TOD ist kein actiongeladener, literarischer Thriller mit hohem Tempo oder bestialischen Serienmorden. Es ist ein kleiner, sachlicher Ruhrgebietskrimi, der den Leser zum Beteiligten an der Aufklärung macht. Aus wechselnden Perspektiven wird der Tathergang noch mal aufgerollt und das ‚Hinterher‘ mit Ruhe und nüchternem Detail berichtet. Märkert schreibt in klarem, ganz und gar unblumigen Stil und bringt uns im Laufe seines Whodunit’s nicht nur die Aufgaben und Grenzen der Bewährunghilfe sondern auch einen sympathischen Kommissar näher.
Um ausführliche Charakterstudien oder psychische Abgründe geht es in diesem Fall nicht. Es geht darum, wer der Mörder ist, und warum er seine Tat beging. Das ist erstaunlich spannend, wenn man erst mal von den üblichen Erwartungen an Krimis/Thriller heruntergekommen ist.
Die Reduktion auf einen sehr realistisch wirkenden Mordfall und dessen Auflösung wird Puristen und Fans von Regionalkrimis am ehesten gefallen. Wer auf Bombastik, Tempo und Fiktionalität steht, sollte dagegen lieber die Finger von SCHWEIGEN IST TOD lassen.
Bewertung: 7/10
Vielen Dank an Michaela von Ela’s Büchertruhe, die mir eins ihrer beiden vom Verlag und vom Autor zur Verfügung gestellten Rezensionsexemplare überlassen hat!
Ein Gedanke zu “Rezension: ‚Schweigen ist Tod‘ von Peter Märkert”