Rezension: ‚Blutsommer‘ von Rainer Löffler

Titel: ‚Blutsommer‘

Autor: Rainer Löffler

Sprache: Deutsch

Format: Taschenbuch für ca. € 9,99

Länge: 496 Seiten

Inhaltsangabe (amazon):

Das 1×1 des Grauens! Eine Dunstglocke liegt über der Stadt. Die Hitze ist unerträglich. Und dann der Geruch, dieser furchtbare Geruch! Der Picknickausflug von Familie Lerch nimmt ein grausiges Ende, als sie im Wald auf einen dunklen Haufen stößt, von Fliegen und Maden bedeckt: Der «Metzger» hat wieder zugeschlagen. Martin Abel, bester Fallanalytiker des Stuttgarter LKA, wird zur Unterstützung der Polizei nach Köln beordert. Keiner kann sich so gut in die Gedankenwelt von Serienmördern hineinversetzen wie er: eine Gabe, die einsam macht. Abel glaubt, an Schrecklichem schon alles gesehen zu haben. Doch das hier – das ist eine neue Dimension.

Zum Buch:

(Anmerkung: Die Rezension wurde aufgrund des unten stehenden Kommentars leicht geändert)

BLUTSOMMER wurde diesen Sommer in den rheinischen Buchläden heftig gepusht, und entgegen meiner Regel, mich von einem Hype nicht kopflos infizieren zu lassen, habe ich es gekauft. Dass der Thriller in meiner Lieblingsstadt Köln ‚um die Ecke‘ spielt, war mein Grund.

Ein Regionalkrimi ist BLUTSOMMER aber nicht. Trotz der Erwähnung verschiedener Kölner Örtlichkeiten und des Doms fehlt dem Buch meines Empfindens nach das typische Lokalkolorit. Das liegt zu einem Großteil natürlich daran, dass die beiden Hauptfiguren, die Ermittler Martin Abel und Hannah Christ, nicht aus Köln, sondern aus dem entfernten Stuttgart stammen. Aber auch die Kölner Kommissare, Gerichtsmediziner und sonstwie in den Fall Verwickelten könnten aus jeder x-beliebigen Großstadt stammen. Die rheinische Mentalität, die typische Atmosphäre und Lebensart, die ich persönlich mit Köln in Verbindung bringe, kommen einfach nicht rüber. Oder habe ich einfach falsche Erwartungen gehabt?

Aber da gibt es ja auch noch die Thriller-Handlung an sich. Und die ist gute, wenn auch nicht sensationelle Kost mit den üblichen Zutaten: ein Serienkiller, abscheulich zugerichtete Opfer, Ermittler mit reichlich Konfliktpotential und ein paar flasche Fährten und überraschende Wendungen. Was den Ekelfaktor angeht, ist Löffler nicht zimperlich, setzt aber auch keine neuen Rekorde. Die ’neue Dimension‘, die der Klappentext ankündigt, konnte ich nicht entdecken – war darauf aber auch nicht aus. Ein Buch muss keine neuen Maßstäbe des Grauens setzen, damit ich es gut finde.

Dagegen finde ich es wichtig, dass die Handlung mich fesselt und überrascht. Ich rate gerne, wer’s denn nun ist, und die Gelegenheit gibt BLUTSOMMER. Spannung muss natürlich auch sein. Rainer Löffler legt eine markante, an die Nieren gehende Eröffnungsszene hin, und auch das Finale fesselt. Dazwischen sackt der Spannungsbogen manchmal etwas durch. Das liegt an den Sperenzchen und Hintergrundgeschichten der einzelnen Charaktere, und vor allem an dem nervigen Hierarchie- und Kompetenzgerangel zwischen den Kölner und Stuttgarter Ermittlern. Es mag ja sehr realistisch sein, dass konjurrierende Kriminalistenteams sich gegenseitig derartig auszubooten versuchen und dadurch Verzögerungen sowie haarsträubende Fehler in der Ermittlung verursachen. Mir ging es aber wirklich auf die Nerven, dass die Kölner die Stuttgarter Spezialisten sofort derartig ablehnen und regelrecht behindern. Eigentlich geht es doch darum, weitere grausame Morde zu verhindern!

Welcher der Verdächtigen letztendlich hinter den Morden steckt, erfährt man bei einem unterhaltsamen Spiel mit doppeltem Boden. Ich hatte schon früh einen Hauptverdächtigen, und geübte Thriller-Leser wie ich knacken den Fall bestimmt auch vor Abel & Co. Aber die Schlenker, die Löffler einbaut, sind unterhaltsam und halten das Interesse des Lesers aufrecht.

Damit kommen wir zu den Charakteren. Und zum Knackpunkt von BLUTSOMMER. Löffler’s Erstling ist ja eindeutig als 1. Teil einer geplanten Serie um Martin Abel angekündigt. Ambitioniert. Und dass Abel eine interessante Figur ist, mag ich gar nicht bestreiten. Wir haben es mit dem modernen, gebrochenen Ermittler zu tun, der von harten Zeiten gezeichnet ist. Noch bin ich dieses Typs nicht überdrüssig, selbst wenn ich mich bei Abel gefragt habe, warum er sich das überhaupt noch antut.

Ihm gegenüber gestellt wird die junge Kriminalkommissarin Hannah Christ. Ehrgeizig, respektlos und mit dem festen Vorsatz, sich von Abel nicht einschüchtern zu lassen, soll sie mithelfen und lernen, wie Abel Fälle löst. Klar ist natürlich auch sofort, dass hier das Potenzial für eine Liebesbeziehung zwischen den beiden bewusst aufgestellt wird.

Das Problem: beide, Abel und Christ, schwanken zu sehr in ihren Rollen hin und her, bzw. ihre Charaktere schlagen manchmal urplötzlich und nicht sehr glaubwürdig eine andere Richtung ein. Vor allem Christ kommt, für eine angebliche bereits erfahrene Ermittlerin, als launisch und kapriziös rüber. Sie will angeblich unbedingt von Abel lernen, schießt stattdessen aber immer wieder quer und lehnt seine Art fast kategorisch ab.
Abel wiederum gibt sich keinerlei Mühe, in irgendeiner Form sympathisch daher zu kommen, obwohl er die Kölner ja eigentlich auf seine Seite bringen soll. Und Christ gegenüber ist er genauso prinzipiell ein Dreckskerl wie sie ihm gegenüber eine Zicke. Das nervt immer mal, stört den Fluss der Geschichte und macht es schwierig, Löffler die Entwicklung der beiden Charaktere am Ende des Thrillers abzukaufen. Schade eigentlich, den grundsätzlich sind die zwei ein interessantes Gespann und legen gemeinsam ein absolutes pageturner-Finale hin.

Fazit:
Guter Thrillerstoff, der allerdings nicht aus der Masse herausragt. Ein Whodunit mit Schock- und Ekelmomenten, einer spannenden Fallösung und einem widerspenstigen Ermittlerteam. Kinderkrankheiten zeigt der Erstling bei der kippeligen Zeichnung der Charaktere. Das nimmt ihnen teilweise die Glaubwürdigkeit, und Sympathiepunkte beim Leser fahren diese beiden erst später im Buch ein, kriegen in einem spannenden Finale aber gerade nochmal die Kurve.

Wer einen Regionalkrimi mit viel Kölner Lokalkolorit erwartet, wird enttäuscht sein. Köln ist in BLUTSOMMER nur eine Großstadt wie alle anderen, und keine der Figuren besitzt ein irgendwie deutlich gezeichnetes rheinisches Gemüt. Dieser Fall könnte sich genauso gut in Frankfurt, Stuttgart oder sonstwo abspielen.

So, wie das Buch derzeit gepusht wird, hatte ich letztendlich mehr erwartet. Wenn der 2. Band um Martin Abel erscheint, werde ich mir überlegen, ob ich ihn lese. Vermutlich schon, aber es gibt Reizvolleres.
Bewertung: 5/10
Buchtrailer:

2 Gedanken zu “Rezension: ‚Blutsommer‘ von Rainer Löffler

  1. RL 5. August 2012 / 19:58

    Also, ich glaube, Du hast das Buch nur sehr oberflächlich gelesen. Du behauptest, es kämen keine Kölner Wahrzeichen wie z.B der Dom vor – aber gerade den Besuchen Abel und Christ ja! Sie schauen sich im Dom-Inneren genau um, und Abel kommen dort ein paar für Hannah verhängnisvolle Gedanken. Da hast Du offenbar ein paar wichtige Seiten übersprungen. Weiterhin wird das Rhein-Energie-Stadion bzw. einer der Parkplätze sowie das Fort Deckstein und die Freizeitanlagen drumherum in die Handlung mit einbezogen, außerdem die Severinsbrücke, der Mediapark, natürlich das Polizeipräsidium in Kalk etc. Wenn Dir das Buch nicht gefallen hat, ist das okay, aber für so eine ausführliche Rezension sollte man es schon genau gelesen haben.

    RL

    • papercuts1 6. August 2012 / 14:38

      Lieber RL,

      zunächst einmal danke, dass du mich auf einen Fehler hingewiesen hast, der nicht hätte passieren sollen. Du hast recht – der Kölner Dom kommt tatsächlich vor, und zwar in einer für Martin und Hannah wichtigen Szene.

      Es ist allerdings nicht richtig, dass ich das Buch nur oberflächlich gelesen hätte! Alle Bücher, die ich hier rezensiere, lese ich aufmerksam, und war Seite für Seite. Wenn mich ein Buch jedoch nicht wirklich fesselt, kann es – wie in diesem Falle – sein, dass eine Szene nicht im Gedächtnis hängen bleibt. Das sollte nicht passieren, ist es aber leider.
      Tatsächlich war gerade die ‚Dom-Szene‘ eine Passage, wo ich die Entscheidungen und Emotionen sowohl von Hannah als auch von Martin als nicht gut nachvollziehbar und zu jäh empfand. Meiner Meinung nach ein holprige Szene, was die Entwicklung dieser beiden an sich hoch interessanten Charaktere angeht.
      Das ist noch kein Grund, den Dom zu vergessen, das stimmt! Ein echter Fauxpas meinerseits, den ich natürlich korrigieren werden.

      Trotz der Erwähnung verschiedener tatsächlicher Kölner Orte bleibe ich aber bei meiner Aussage, dass mir bei ‚Blutsommer‘ Lokalkolorit fehlt. Für mich, die ich Köln lange und gut kenne, gehört zu dieser Stadt ein bestimmter Charme, eine Atmosphäre, ein typischer Menschenschlag, eine Lebenseinstellung, eine bestimmte Art zu reden und mit anderen umzugehen, die ‚rheinische Mentalität‘. Das, was eine Stadt ausmacht, geht grundsätzlich weit über das Benennen bekannter Orte hinaus. Und genau das hat mir bei ‚Blutsommer‘ gefehlt. Was natürlich mit meinen persönlichen Erwartungen an einen Roman zu tun hat, der expressiv in Köln spielt. Und diese Erwartungen wurden eben nicht erfüllt.

      Hinsichtlich des mir unterlaufenen faktischen Fehlers werde ich meine Rezension natürlich gerne korrigieren und bedanke mich für den Kommentar!

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